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518 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 18<)8)
Materie folgend, sich mehr und mehr veräusserlichte, ganz
die Fühlung mit seinem göttlichen Wesenskern sowie das
Bewusstsein seiner göttlichen Abstammung, und wenn auch
das Band, welches uns im vollsten Sinne des Wortes mit
der Gottheit verbindet, niemals reissen kann, so liegt es doch
tief im Schutt der Materie vergraben. Die früher vermöge
dieses Bandes bestehenden directen Beziehungen der
Kombination von göttlichem Geist und (astraler) Materie,
welche den ersten Menschen darstellte, zur Aussenwelt, mit
der sich der Mensch ihrer gemeinsamen Wurzel nach einig
fühlte, wurden ausgetauscht gegen ein durch fünf Sinne
indirect vermitteltes, lokalisirtes Gehirnbewusstsein, womit
das innere Zusammengehörigkeitsgefühl in dem zum Ich-
bewusstsein gelangten Menschen verloren ging, als natürliche
Folge der Entwicklung in die Materie hinein. Das vorher
unpersönliche, solidarische Bewusstsein des ätherisch-astralen
Adam wandelte sich allmählich in das scheinbar persönliche,
isolirte Ichbewusstsein des Menschen auf Grund des in die
Erscheinung tretenden Gefühls. Der Geist Gottes aber, das
Kind Gottes in uns, wurde mehr und mehr vernachlässigt
und seine schwächer werdende Stimme nicht mehr gehört,
bis schliesslich der Mensch des Alltagslebens, auf die dos
Selbstbewusttsein vortäuschenden Sinneswirkungen vertrauend
und sie für die letzte Ursache seiner Erkenntniss haltend,
das Bewusstsein des göttlichen Geistes in sich selbst vollständig
verlor. Die Philosophie, welche ihre Erkenntniss
aus Soeculationen schöpft, die unsere fünf Sinne als Grundlage
haben, hat den letzten Rest des göttlichen Bewusstseins
in uns hinweg spintisirt und in Vergessenheit gebracht. Nur
das Gemüth, in welchem die göttliche Kraft sich eingekapselt
hält, hat eine leise Ahnung von der Wahrheit zurückbehalten,
und das Gefühl (ich meine jetzt nicht den Gefühlssinn) ist
einer der Fühlfäden , durch welchen das Göttliche in uns
unserem durch trügerische Nachrichten bethörten Scheingeiste
manchmal in stiller Stunde die Ahnung der wahren
Geistes- und Lichtquelle zutelegraphirt.
Das göttliche Erbtheil in uns manifestirt sich jedoch
für die meisten, weil ganz veräusserlichten, materiellen
Menschen gar nicht mehr, da es durch unsere stets in
Anspruch genommene Sinnesthätigkeit vollständig unterdrückt
wird. Wo es aber, durch Kombination glücklicher
Umstände, in seltenen Fällen spontan zum Durchbrach
kommen kann, zeigt sich, wie im wahren Genie, in der
Intuition, seine „Oeberlegenheit über den Triumph der
Kohlenstoff Verbindungen", über das Sinnes Werkzeug, das
höchstens ein Talent schaffen kann und dabei noch, ohne
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