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Strebel: Skizze über esoterischen Occultismus.
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es zu wissen, Anleihen vom Göttlichen macht. Das Göttliche
in uns ist der Abglanz des Allgotts und sein Vermögen,
der Allsinn, die unmittelbare Anschauung. Das göttliche
Erkennen und Wissen, das seine Weisheit aus dem Be-
wusstsein des „Sich-eins-Fühlens mit der Welt" ohne
Zuhülfenahme von Sinnesorganen und schwerfälligen Gehirn-
mecbanismen schöpft, ist eine seiner Haupteigenschaften,
ebenso wie die von uns so benannte magische Kraft, resp.
das Vermögen, auf die Materie und ihre Schwingungen in
einer die von Menschensatzungen bestimmten physikalischen
Gesetze scheinbar neglegirenden Weise einwirken zu können.
Die sogenannten occulten Erscheinungen des Somnambulismus
und Mediumismus, der Gedankenübertragung, der Wunderheilungen
u. s. w. wurzeln in unserem innersten Wesen und
können durch geeignete Mittel aus ihrer Latenz gebracht
werden, über welche zu sprechen ich später einmal Gelegenheit
nehmen werde.
All das Hohe, Edle, das dem Menschen Herz und Sinn
bewegt, das Streben nach dem Ideal, ist ein Wiederschein *
des Göttlichen Das Unbekannte, was der Dichter besingt,
der Künstler in Form und Melodie zu bringen sucht, ist das
heimliche, unbewusste Sehnen und Drängen des Göttlichen
in uns zu Gott. Nach der Vereinigung mit ihm ringt das
Herz des Menschen, strebt die Religion, Alle unsere besseren
Triebe haben ihre Wurzel im Göttlichen, und die höchste
Erden- und Sinneslust, die irdische Liebe ist nur ein schwacher
Abklatsch der göttlichen Seligkeit in den Gefilden der
Seligen im Paradiese nach der Vereinigung mit Gott. Sehr
schön sagt Bulwer im „Zanoni": — „Jede Sehnsucht im
menschlichen Herzen ist nur ein Schimmer und eine schwache
Anschauung von Dingen, die vorhanden sind, fern aber und
göttlich. Wer hätte in seiner Jugend nicht den Glauben
gehegt, dass die Welt Geheimuisse enthalte, welche dem
grossen Haufen nicht bekannt sind, hätte nicht geschmachtet,
wie der Hirsch lechzt nach den Wasserquellen, nach den
Brunnen, welche fern weg verborgen liegen unter der ungeheuren
Wildniss pfadloser Wissenschaft? Die Musik der
Quelle wird von der Seele Innerem vernommen, bis die
Schritte getäuscht und verirrt von dem Wasser wegschweifen
und der Wanderer in der gewaltigen Wüste stirbt. Meint
ihr, keiner von 1 )enen, welche die Hoffnung gehegt, hat die
Wahrheit gefunden, oder das Verlangen nach der unaussprechlichen
Weisheit sei uns umsonst gegeben? Nein, jede
Sehnsucht im menschlichen Herzen ist nur ein Schimmer
und eine schwache Anschauung von Dingen, die vorhanden
sind, fern und göttlich. Nein, in der Welt sind von einer
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