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528 Psychische Studien* XXV. Jahrg. 10. Heft (Oktober 1898.)
„Griseldis" —, hat auch einige Novellen gesehrieben, welche
aber ziemlich unbekannt geblieben sind. Unter ihnen befindet
sich auch eine entschieden occulte — „Dio Marzipan-Zfa*."
— Die Frau, nach welcher die Erzählung benannt ist, —
„die Wittwe eines Zuckerbäckers, eine verrufene Wucherin,
wird von ihrem Miethsmanne in der Hoffnung auf eine
reiche Erbschaft ermordet. Der Mörder sieht sich aber
getäuscht, und da Verdacht rege wird, geht er flüchtig, in
Ungarn weiss er das Vertrauen eines reichen Handelsmannes
und das Herz seiner Tochter zu gewinnen. Weil der Vater
seine Zustimmung verweigert, beschliesst das Paar zu fliehen.
Da der Plan sich aber erst in einigen Tagen verwirklichen
lässt, versteckt sich der Liebhaber in einem Verschlage des
Kellers. Als das Mädchen zur entscheidenden Stunde ihn
befreien und zur Flucht abholen will, tritt ihr das Phantom
der Marzipan-/^ entgegen und erseht eckt sie derart, dass
sie in ein Fieber verfällt, während dessen der Mörder in
seinem Verschlusse verhungert. Die Geschichte ist nicht
übel erzählt und gut motivirt.
Dass wir bei HcUmh poet schem Antagonisten Anastasius
Grün etwas Occultes finden würden, sollte man nicht
denken, da dieser Dichter, wie wenige von gleicher poetischer
Bedeutung, so ganz im Leben der Gegenwart und ihrem
Interesse aufging. Wer jedoch seinen Geschmack noch nicht
an den poetischen Stümpereien der Modernen so verdorben hat,
dass er mit Genuss die reizende Dichtung — „Der Pfafi
vom Kahlenberge" — lesen kann, der wird unter den
Liedern Nitharfs das Zauberstücklein des Albertus Magnus
finden, der seinem Gaste mitten im Winter einen früchte-
beladenen Obstgarten vorgaukelt.*) Und noch einmal hat
er einen ähnlichen Stoff behandelt, allerdings seinen freiheitlichen
Ideen dienstbar gemacht. Es geschieht das in dem
durch seine klangvoll dahin rauschende Sprache höchst
lesenswerthen Gedichte — „Das Schloss in Böhmen." —
Ein junger Edelmann will eine verfallene Burg wieder
aufbauen, aber in der Nacht stürzt immer wieder zusammen,
was am Tage aufgebaut worden ist. Da lässt er Priester
kommen, um den Spuk zu bannen, und es erscheinen drei
Geister der Vergangenheit, welche die Beschwörer ermahnen
: —
„Hier ist kein Haus für Lebendige mebr,
Hier reift des Todes Samen.
♦) Vergl. „Psych. Stud." Dec< mber-Heft 1878 S. 511 ff.; Februar-
Heft 1879, B. 90; December-Heft 1884, S. 580, Juni-Heft 1885, S. 169.
Der Bekr. d. Red,
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