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532 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1898.)
Wittwe Zenobia wieder, und auch sie erinnert sich dunkel
ihrer früheren Daseinsformen. Neben dieser immer wechselnden
Erscheinung geht der Dämon des Todes, Pausanias „der
Sorgenloser", als der sich ewig Gleichbleibende, einher. Die
Dichtung hat Stellen von hohem poetischem Werthe. Der
Grundgedanke wird sehr gut an einer Stelle des vierten
Aktes ausgedrückt, als ApeVes' alter Freund Longinus sagt:
— „So werden auch wir vergehen, Du und ich, und nicht
wiederkommen " — Darauf erwiedert der Meister: — „Weisst
Du das? Ich nicht. — Seit ich wie der Adler lebe, die
Welt von oben betrachte, besuchen mich in stillen Nächten
oft wunderbare Gedanken. Nicht wiederkommen? Warum?
Die Weisen in Indien sagen: wir werden sein — und sind
schon gewesen. Langsam, sagen sie, reift der Menschengeist,
nicht in einem Leben. Um göttlich zu werden, muss er
durch viele und mannigfaltige Gestalten gehn." — Seltsam
allerdings ist es dabei, dass Wilbrandt in den verschiedenen
Incarnationen der Zoe keinen ethischen oder geistigen Fortschritt
angedeutet hat. Erst ist sie christliche Wander-
predigerin, dann Hetäre, dann ehrsame christliche Matrone,
darauf wieder ein feuriger Jüngling und schliesslich eine
Christin von edlem, weitherzigem Sinne. Das geht doch
etwas bunt durcheinander. Dass die Seele zwischen den
einzelnen Verkörperungen keine Zeit hat, sich im Devachan
der Theosophen auszuschlafen, mag diese verdriessen. Noch
ein entschieden occultes Phänomen möge aus dem an
poetischen und philosophischen Schönheiten reichen Drama
erwähnt werden: — Der Tod des Kaisers Julian wird durch
eine Geisterstimme, eine Art telepathischer Gehörshallucina-
tion, angekündigt.
Graf Schuck sagt einmal in seinem Sammelwerke —
„Pandora" —, er habe Erfahrungen gemacht, auf die er
aber nicht eingehen wolle, da man ihn sonst für einen
Spiritisten verschreien würde.*) Dass ihm die selteneren
Fähigkeiten der menschlichen Seele bekannt waren, ersieht
man aus verschiedenen seiner Werke. — „Die Nächte des
Orients" — sind ein einziges, nach rückwärts gerichtetes
Ferngesioht. Der Held, ein kultur- und europamüder Sohn
unserer Zeit, flieht nach dem Orient, wo sich ihm während
einer Nacht in den Trümmern einer Stadt ein alter Beduine
anschliesst; diesem klagt er sein Leid und preist die vergangenen
Zeiten, in welchen das Leben noch menschen-
*) Vergl. „Psych. Stud." Mai-Heft 1887 F. 231 ff.; April-Heft 1888
S. 18H; Oktober-Heft 1888 S. 478 ff.; Juni-Heft 1892 S. 251; December
Heft 1894 S. 594 ff. —
Der Sekr. d. Red.
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