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54C Psychische Studien. XXV. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1898.)
ja nur eine Aeusserung der Seele. Die Schwerverletzte
hat nach ihren eigenen letzten Worten zum Glück keinen
Schmerz empfunden. — Wir haben in der Geschichte des
Mittelalters zwei Fälle, nach denen sogar ein Heiliger S(.
Dionysius von Paris nach seiner Enthauptung im 3. Jahrhundert
n. Chr. seinen Kopf in beide Hände genommen
und zum Altare von St. Denys hingetragen, und der gefürchtete
nordische Seeräuber Störtebecker sich vor seiner
Hinrichtung in Lübeck die Gnade ausbeduugen haben soll,
so viele seiner adligen Genossen vom Tode i*u erretten, als
er nach erfolgter Enthauptung ohne Kopf an ihrer Reihe
noch abschreiten würde. Sein Rumpf soll nun in der That
nach dem Abschlagen seines Hauptes sich erhoben und wie
im Traume die Reihe seiner Schicksalsgenossen entlang geschritten
sein, bis eine alte Frau, die so viele Rettungen
wegen des Verlustes des ihr interessanten Schauspiels von
Hinrichtungen nicht wünschte, dem geköpften Dahin-
schreitenden das Bein stellte, über das er stürzte. (Vgl.
„Psych. Stud." August-Heft 1883 S. 3ül.) Aber unsere
heutigen Aufgeklärten werden beide Beispiele in die Rumpelkammer
mittelalterlichen Aberglaubens werfen. Ein kleiner
historischer Kern mag immerhin denselben zu Grunde liegen.
h) Die weisse Fi au im Hause Habsburg. Dem
Londoner „Light" Nr. 923 v. 17. Sept. er. entnehmen wir
pag. 464 folgende Notiz: — „Die Tragödie zu Genf er-
inneit an die alte Legende, dass5 wenn einem Mitgliede des
Hauses Habsburg eine Katastrophe droht, eine „Weisse
Frau" im Schlosse zu Schönbiunn gesehen wird. Die Erscheinung
trat auf im Jahre 1867 vor dem tragischen Tode
des Kaisers Maximilian von Mexiko, des Schwagers der ermordeten
Kaiserin Elisabeth. Desgleichen ging sie im Jahre
j«SN9 kurz vor dem schrecklichen Drama in Meyerling, in
welchem der Erzherzog und Kronprinz Rudolph um's Leben
kam, in den Coriidoren des Schlosses um. Sie wurde kurz
zuvor erblickt, ehe die Nachricht eintraf, dass der Erzherzog
Johann Orth zur See untergegangen sei, und eine erneute
Erscheinung ging dem erschütternden Todesfalle der
jungen Erzherzogin Mathilde voraus, welche bei dem Versuche,
eine angezündete Cjgarette in ihrer Tasche zu verbergen, als
sie heimlich rauchend betroffen vurde, lebendig verbrannte.
Auch die schauerliche Ermordung zu Genf wurde nach
einem Telegramme der 'jMoruing Post' vorher angekündigt,
denn es kann nicht vergessen worden sein, dass eine auf
Posten stehende Schildwache zu Schönbrunn jüngst versichert
hat, sie habe die * Weisse Frau' rings um das Schloss
wandernd gesehen! — Weiteres über Erscheinungen der
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