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Gaj: Wahrtfäumejind Visionen.
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„Ich verheirathete mich den 10. Mai 1881. Schon hatte
ich die obenerwähnten grässlichen Träume vergessen, als
mich wieder ein Traum in Besorgniss versetzte» Es war
vier bis fünf Wochen nach der Trauung, also noch in den
Flitterwochen, und so war am Firmamente meines Glückes
kein Wölkchen zu sehen, das mich hätte beunruhigen
und zur Ursache des folgenden Traumes werden können:
— Es vollzieht sich meine Trauung. Dieselben Gäste,
dieselben Zeugen, dieselbe Ceremonie, mit einem Worte,
alles ist so, wie es in der That war. Wir stehen vor dem
Priester, um seinen Segen zu empfangen, als ich verwundert
bemerke, dass ich mit einem Offiziere getraut werde. (Zu
jener Zeit war mein Mann Bezirks-Physikus, später Chef
der internen Abtheilung des StaatskrJkenha'us/s; erst im
Jahre 1885 wurde er zum Reserve-Sanitäts-Major, und drei
Jahre vor seinem Tode zum activen Sanitäts-Oberstlieutenant
ernannt.) Ich will das Gesicht des Offiziers anschauen,
damit ich ihn erkenne; aber das konnte ich nicht, denn er
war ohneKopf. Statt des Kopfes war ein weisser Schleier,
dem die Form eines Kopfes gegeben war. Ich suche mit
meinen Augen Dr. JL, wundere mich, dass ich ihn nicht
sehe, und es ist mir leid, dass er durch seine Abwesenheit
zulässt, dass ich einen Anderen heirathe. Als ich ihn
nirgends erblicken konnte, so rufe ich seinen Namen mit
voller Stimme. Ich musste stark geschrieen haben, da mein
Schreien meinen Mann erweckt hatte und er mich nun
aufweckte. Er sagte mir, es hätte ihn mein lautes Schreien:
~ - 'Lazo, helfe mir in Gottes Namen!' — erweckt," —
„Als ich mit meinem ersten Kinde guter Hoffnung war,
träumt mir: — Es sind einige Menschen gekommen, die
mich benachrichtigen, dass es entschieden wurde, mich zu
beerdigen. Umsonst beweise ich ihnen, ich wäre am Leben.
Sie hören nicht auf mein Jammern, sondern führen mich
auf den Friedhof. Ich sehe schon meine Gruft. Sie lassen
mich hinunter. Verzweiflungsvoll bitte ich und beschwöre
sie, sie sollen mich wenigstens zuvor tödten. Umsonst. Hier
stehen auch einige Menschen mit brennenden Fackeln. Sie
geben das Zeichen, dass man sich mit der Beerdigung
beeilen solle. Schon bin ich nahe am Boden, noch ein
Moment, und sie werden mich lebendig begraben. In
höchster Angst rufe ich meinen Mann um Hülfe an und
werde von meinem Manne geweckt. Ich erzähle ihm nun
den schrecklichen Traum. Darauf sagte er mir, er hätte
dasselbe geträumt, er hätte auch gebeten, man solle mich
lieber zuvor tödten, und dass er eben im Begriffe stand,
mir zu Hilfe zu eilen, als ihn mein Wehklagen erweckt
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