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Bonnann: Die Zeugnisse für die Weissagungen Öazotte's etc. 583
zu wissen, dass Cazolte echte Seherworte gesprochen habe.
Was aus diesen Sehersprüchen nach Laharpe^ Meinung mit
Donnerzungen redete, das war die zeitlich unglaublich rasche
Folge der grauenhaftesten Begebenheiten und noch dazu die
Zusammendrängung so vieler Personen, welchen dies Grauenhafte
widerfuhr, an der nämlichen Stätte. Wenn diese
Seherworte echt waren, meint er, wie es ja tausende solcher
zweifellos echten Prophezeiungen im Gange der Geschichte
gegeben hat, was nützt es denn denen, solch Wunder zu
wissen, die mit kleinem Sinne nach diesem viel geringeren
Wunder fragen und das weit grössere Wunder der furchtbaren
Schicksalsmächte nicht einmal als solches begreifen?
Sonderbar übrigens, dass ein so trefflicher Stilist wie Laharpe
in diesem Nachwort einmal sich eines Ausdruckes bedient,
der zweideutig ist und an seinem Platze freilich leicht das
Verständniss verwirrt und dem Rationalismus seine Verneinung
erleichtert. Die betreffende Stelle lautet: — „Voila
le prodige reel comme la prophetie n'est que supposee." —
Ich übersetzte, wie man meines Erachtens nach Würdigung
der Zeugnisse und sämmtlieher Gesichtspunkte allein den
Satz verstehen darf: — „Seht, das ist das reale
Wunder, so wie die Prophezeiung blos vorausgesetzt
ist" — Laharpe setzt also das Wunder der
handgreiflichen Thatsachen, die ein Jeder mit
seinen Sinnen tasten konnte, dem Wunder einer Prophezeiung
mit inneren Vorgängen des Sehers gegenüber, die
eben nur zu glauben sind. Das Wort „supposer" bedeutet
aber zuweilen auch „unterschieben, fälschen." Es muss
zugegeben werden, dass es ohne Würdigung aller Umstände
das eine hier so gut bedeuten konnte, wie das andere. Der
letzte Satz des Nachwortes werde noch einmal wiederholt.
Er heisst: — „In diesem Falle", — d. h. gemäss den
vorhergehenden Worten Laharpe s: — „wenn ihr die besondere
Furchtbarkeit dieser Revolution in ihrem Unterschiede von
allen anderen nicht fasst", — „In diesem Falle würde sogar
die Prophezeiung, wenn sie stattgefunden hätte, höchstens
ein Wunder sein, das für euch nur verloren wäre wie für
die anderen, und das wäre dann das schlimmste Unglück."
— Gerade dieser Satz scheint mir, trotz dem eingestreuten
Bedingungssatz, der wohl das Urtheil flüchtiger Beurtheiler
gefangen nehmen mag, sehr kräftig für die Echtheit der
Prophezeiungen zu sprechen. Laharpe sagt sehr deutlich hier,
er wolle über die Echtheit der Weissagungen gar kein Wort
verlieren, weil ihm das als das schlimmste Unglück erschiene,
wenn die Prophezeiung in ihrer Echtheit den ewig Blinden,
welche nicht einmal die Wunderstimme der Geschichte
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