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Strebel: Skizze über esoterischen Oeeultismus.
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feste Glaube ist der Schlüssel zur Auslösung
der magisch-mystischen Kraft. Dieser Glaube hat
nichts zu thun mit religiöser Schwärmerei und Empfindelei.
Nicht durch Grübeln und Forschen, Denken und Schwärmen
kommt man in den Besitz dieser Kraft. Das Mittel dazu
ist das völlige Aufgehen in der göttlichen Liebe, welche
nicht die Person, nicht Vater, Mutter, Bruder und Schwester,
sondern nur eine Menschheit, eine Schöpfung kennt, die
eins ist mit Gott. Die Lehre der Liebe, wie sie Christus,
Buddha . . . gelehrt haben, versteht sich von selbst, sie ist
verständlich auch ohne theologische Dogmatik, die ein
Mensehenproduct ist. Praktisch muss diese Liebe bethätigt
werden, sie ist ein Allprinzip, das jeder erkennen kann,
sobald er sich von der Täuschung seines Ich frei
gemacht hat.
Das Wort ,,Religion" bezeichnet deutlich den Zweck
aller Religion Das Wort stammt von religare = wieder
verbinden, vereinigen. Der Indier hat dafür das Wort
„Yoga" = Voreinigung. Yogaübui'g, praktische Mystik,
praktische Religion sind also ein Begriff. Die Lehre der
Religionspraktiken stammt von einem bereits initiirten
Stifter wie Christus, Buddha, welche zur Anschauung Gottes,
zur Vereinigung ihres äusseren Wesens mit ihrem inneren,
göttlichen Wesenskern gelangt sind. Ihre Lehren geben die
Anweisungen, das Ich mit allen seinen Wünschen verschwinden
zu lassen und dafür die göttliche Liebe einzutauschen
. Das Christenthuin lehrt die Liebe in der reinsten
Gestalt, ebenso die echte Lehre Buddha's. Der Sinn der
Lehren ist uns Abendländern schwer verständlich, da die
Sprache, nicht im Stande, Zustände des Innenlebens zu
benennen, zu Gleichnissen und Bildern greifen musste,
abgesehen davon, dass gewisse Geheimnisse absichtlich
verschleiert gehalten wurden aus Furcht vor deren
Profanirung, welche bei dem Andrang vieler Menschen zur
neuen Lehre unausbleiblich war. Die mvstische Ent-
Wickelung bringt nämlich beim allmählichen Fortschreiten
des Abstreifens der materiellen Körpertheilchen, der Vergeistigung
, also der Annäherung an Gott, den Menschen
in Besitz von magischen Fähigkeiten, welche dem
materiellen Menschen abgehen. Christus sagt mit eigenen
Worten darüber: — „Die Zeichen aber, die folgen werden
denen, die da glauben, sind die: In meinem Namen
werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden,
Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tödtliches trinken,
wird es ihnen nicht schaden. Auf die Kranken werden sie
die Hände legen, und es wird besser mit ihnen gehen." —
Psychische Studien. November 1898. 2,8
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