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Strebel: Skizze über esoterischen Oocultismus 589
will die Menschheit auf die obigen esoterischen Anschauungen
aufmerksam machen und so dem Menschen den Weg zu
Gott ermöglichen, was bei der ganz verweltlichten exoterischen
Lehre der modernen Dogmentyrannei nicht zu erreichen ist.
Ferner strebt sie an die allgemeine Verbrüderung, ein gewiss
löbliches Ziel, das sich auch eine andere Propaganda
vorgesetzt hat, le congres de Phumanite. Neben anderen
humanitären Bestrebungen wünscht die theosophische
Propaganda die Erforschung der indischen Kultur und
Philosophie, weil sich da in der esoterischen Lehre des
Buddhismus die deutlichsten Anhaltspunkte zum Verständniss
nicht nur des Christenthums, sondern auch solche wissenschaftlicher
Natur finden lassen. Die Produkte dieser
Studien sollen durchaus nicht als Dogmen gelten,
sondern nur als Anregung für den, der Lust und Liebe
dazu hat. Die Geschichte der modernen Theosophie hat
ihre dunklen Flecken wie jede andere Bewegung, da sie
eben menschliches Machwerk ist und mit Menschen rechnen
muss. Das Verdienst bleibt doch bestehen, dass sie den
Weg zur praktischen Mystik, zur geistigen Entwickelung
des Menschen und damit die Möglichkeit zur Erkenntniss
der verborgenen Weisheit Gottes klar vor unsere Augen
gelegt hat.
Ich möchte nun nach dieser Abschweifung darauf
aufmerksam machen, dass die Vendantaphilosopbie, welche
mit den Lehren Buddha's in engem Zusammenhang steht,
genau das gleiche lehrt wie die Schriften der Bibel, ja
dass die Bibel, speziell das alte Testament, erst dann
verständlich ist, wenn wir die indischen Upanishaden kennen.
Ich citire hier einen Schriftsteller, dessen Name mir entfallen
ist: — „Durch das Studium der indischen Lehre
wird der Gesichtskreis erweitert, und wir finden allgemeine
Naturkräfte, wo man früher nur Personen, deren Familienangelegenheiten
uns nichts angehen, jüdische Patriarchen . . .
erblickte; da verwandelt sich Abraham in das Sinnbild von
Brahmaf der König Salomon in das Sinnbild der Sonne der
Weisheit mit dreifachem Namen: Sol {Apollon) — lateinisch
(griechisch), Om = Sanskrit, On = chaldäisch. Da finden wir,
dass der wahre Erlöser der Menschheit nicht getödtet ist,
sondern heute noch in der ganzen Menschheit und in jedem
Einzelnen lebt und wirkt, und dass die Erlangung einer
selbstbewussten Unsterblichkeit von keiner Laune eines
Gottes abhängt, sondern von Gott in unsere eigene Hand
gegeben ist. Da überzeugen wir uns, dass zwar der Mensch,
als Thier betrachtet, ein Produkt der Entwickelung der
Materie, der über ihm stehende und ihn überlebende geistige
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