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596 Psychische Studien. XXV Jahrg. 11. Heffc (November (1898.)
fast erreicht hatte. — ,Härtel1 -~ stöhnte dieser und
wendete das bekümmerte Haupt. Dann aber, von dem
warmen Athem Siemman angezogen, schleppte er sich
rascher gegen ihre Kniee, auf welche er die Ellbogen
stützte, ohne dass sie nur die leiseste Berührung empfunden
hätte. Dennoch belebte sich der Schatten, die schöne Stirn
wölbte sich, und ein sanftes Blau quoll in dem gehobenen
Auge. —- 'Woher kommst du, Pereyrm? — sagte die
Richterin. — ,Vom trägen Schilf und von der unbewegten
Flut. Wir kauern am Ufer. Denke dir, Liebchen, neben
welchem Nachbar ich zeither sitze, neben dem — er suchte.
- 'Neben dem Comes If uIfV — fragte die Biehterin neugierig
. — ,üerade. Kein kurzweiliger Gesell. Er lehnt an
seiner) Spiess und brummt etwas, immer dasselbe und kann
nicht drüber wegkommen. Ob du ihm ein Leid anthatest,
oder nicht. Ich bin mäuschenstille.*--'Stille, du
Schwächling!' — zürnte die Richterin. — 'Das hast du dir
in deinem Schlupfwinkel zusammengeträumt. Solche Schmach
kennt die Sonne nicht! Stenum ist makellos! Und auch der
Comes, er komme nur! ihm will ich Rede stehen!' —
jSiemma, StemmaV — flehte Pereyrin. — 'Hinweg, du NichtsP
— Sie entzog sich ihm mit einer starken Gebärde, und seine
Züge begannen zu schwimmen, — ,Mein Weib, mein* —
,Leben* — wollte er sagen, doch das Wort war dein Ohnmächtigen
entschwunden. — ,Hilf, Stemma\ ~— hauchte er,
— 'wie heisst es, das Athmende, blähende? Hilf!' — Die
Richtet in presste die Lippen, und Peregrinus aerfloss." —-
Dem Sänger der Völkerwanderung, Hermann Lingg,
verdanken wii einige uns interessirende Gedichte von solcher
poetischen Schönheit, dass wir sie hier dem Leser unverkürzt
bieten wollen. Das erste — „Puusanias und CIeoniceki —
behandelt die tragische Episode aus dem Leben des Persersiegers
, welcher seine Geliebte in der Dunkelheit aus Versehen
getödtet hatte und nun von ihrem erzürnten Schatten
verfolgt wurde.
Kalt war die Nacht, Seimeeregen fiel,
Er sass am Koleherstrande,
Da kamen zu ihm die Manner vom Nil,
Thebäer im dunklen Gewand«»;
»Sie waifen in rauchend** Pfanne das Kraut
Vom Lorbeer zu Schlangen- und Draehenhaut.
Der Hauch stieg mit dem Meeresdunat
Vermischt zum Mond hinüber,
Der, wie durch eine Feuersbrurmt
Herabsah trüb und trüber,
Abstreiften die Priester ihr faltig Gewand,
Kntblösrtt im Hauch der Feldherr stand.
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