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Wedel: Das Üebersinnliche in der deutschen Litfceratur etc. 599
Anlacht mich ihrer Schönheit Glanz,
Und meiner SeeF ist wohl,
Die Firnen strahlen rosig schier,
Doch ros'ger strahlt ihr Antlitz mir
Im schönen Land Tirol.
Und wieder dann im Thal des Inn
Auf hohem Schlossaltan
Blickt sie mich an mit Schelmensinn,
Ich föhl' ihr zärtlich Nahn;
Mir ist. gedenk* ich solchen Glücks,
Als rührt* ihr Athem mich,
Als spräche sie mit süssem Mund,
Wie oft sie that ans Herzensgrund;
„Mein Max, wie lieb' ich dich!**
Ja, grösste Zauberin der Welt
Ist starker Liebe Macht;
Die lust, dio je das Herz geschwellt,
Tilgt nicht der Zeiten Nacht,
Un? wer uns schuf das höchste Glück,
Das Herz hält stets ihn fest;
Und hUV ihn längst der Tod entrückt,
Erinn'rung feiert hochbeglückt
Ein ew'ges Liebesfest.
Auch andere Gedichte Moeser'* erregen unser Interesse.
— „ Kaiser Julian9* Ende"— behandelt in poetischer Form
die occulten Philosopheme der Neupythagoräer. — „Karl I.
und der Henker" — schildert den Volksglauben des Vor-
spukes. Der trotzige Stuart wird auf einer Jagd vom
Unwetter überrascht und sucht Schütz in der Hütte des
Henkers. Bei seinem Eintritte geräth das Beil von selbei
in Bewegung, woraus der Nachrichter das Schicksal dos
Königs vorausahnt.*)
Eine andere Art von Zukunftsanmeldung findet
bei grossen Seuchen nach dem Glauben des Volkes statt.
Diese Art von Vorspuk hat Wilhelm Hertz in seiner
Ballade — „Der graue Mann" — behandelt.
's ist Mitternacht. Die Strasse liegt
So öd' im Moudenschein;
Mir geht ein leiser Schauer
Verstohlen dureh's Gebein,
Die Luft so schwer und geisterbang!
Ich eile die hohen Häuser entlang
Wie durch die Stadt der Todten.
Nur Einer kommt zu später Stund'
Geschäftig noch heran.
J*»tzt tritt er aus dem Schatten —
Hilf Gott, der graue Mann!
*) Auch in Heinrich Heinas posthum in der „Gartenlaube" erschienenen
— „Memoiren" — befindet sich eine ähnliche Stelle. —
Vgl. „Psych. Stud.4'* Novbr.-Heffc 1895 8,485 ff. — Der Sekr. d. Kid.
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