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Kurze Notizen.
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war er noch nicht da, der nächtliche Vorfall dagegen ruchbar
geworden. Da eilte Regierungsrath Hagenbuch nach der
Wohnung seines Schützlings, um den Schläfer zu wecken/
— Der Muth, den die Regierung von Zürich bewies, indem
sie einen solchen Mann zu ihrem Staatsschreiber zu wählen
wagte, wurde übrigens dadurch belohnt, dass Keller ein
vorzüglicher Beamter wurde und es fünfzehn Jahre lang
blieb. Auch die Lehrjahre des Menschen Keller waren
endlich vorüber. — Die Briefe Keller'* sind zum Theii
ausserordentlich interessant. Sie und die Tagebücher
gewähren die reizvollsten Einblicke in das innerste Empfinden
des Mannes und in die geheimste Werkstatt des
Dichters." —
Keller starb bekanntlich d. 15. Juli 1890. (Vgl. „Psych.
Stud." Dezember-Heft 1890 S. 571.) Die Erklärung für sein
damaliges seltsames Benehmen findet man vielleicht in seiner
„Mahnung des Maiers Lys über den Spiritualismus in der
Kunst" im 15. Kapitel des 3. Bandes seines Lebensromanes:
— »Der grüne Heinrich". (Stuttgart, Göschen, 1879, 2. Aufl.)
Vergl. „Psych. Stud." Juni-Heft 1883 S. 293 ff., woselbst
er uns die traurige Geschichte von einem 1713 gestorbenen
Hexenkinde — dem Meretlein — erzählt. — Dass Keller
übrigens schon damals Blick und Verständniss für ausser-
gewohnliche Erscheinungen des Seelenlebens hatte, beweist
seine 1849 einem Züricher Freunde mitgetheilte -Aesthetische
Notiz über einen Operationsfallu in „Psych. Stud." April-
Heft 1894 S. 228 ff. In den „Sieben Legenden" hat uns
— „ Dorothea'^ Blumenkörbchen" — noch tiefer in seine echt
spiritualistisch gestimmte Dichterseele blicken lassen, s. Juli-
Heft 1883 S. 318. In den „Leuten von Seldwyla" (April-
Heft 1876 S. 186) hat er uns seine früheren Ansichten über
Unsterblichkeit der Seele und ihre persönliche Fortdauer
entwickelt. Zur Zeit des obigen Entlarvungsskandals mit
Lassalle war er noch stark von dem Philosophen Ludwig
Feuerbach und dessen rationalistischer Theorie über „Tod und
Unsterblichkeit der Seele" beeinflusst. (legen Ende seines
Lebens dürfte er über den Hypnotismus und das hypnotische
Experiment Lassalle'$ an Herwegh wohl etwas ruhiger und
nüchterner geurtheilt haben. Im Rausch und in der Hitze
des Fanatismus und Vorurtbeils erfolgen noch heutzutage
gar manche derartige Entlarvungen, die genau besehen zu
demselben Resultate führen, wie der üfanrtit'sche Hypnotismus.
— Der Sekr. d. Red, (Schon im Jahre 1894 niedergeschrieben
.) Man vergl. hierzu Dr. Wedets Bemerkung
über Keller am Schlüsse seiner Artikelfortsetzungen über —
„Das Uebersinnliche in der deutschen Litteratur unseres
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