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626 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 12. Heft. (December 1898.)
nothwendigen Anhaltspunkte zu finden, um mir ein Urtheil
zu bilden; aber ich enthielt mich, dasselbe vor meiner
Rückkehr von Dorpat nach St. Petersburg bekannt zu
geben, woselbst ich die Bestätigung gewisser Zweifel
gewinnen konnte, die mir bei der Leetüre des Anhangs auf
den ersten Blick aufgestossen waren. Es ist unnütz, Schritt
für Schritt alles das, was Dr. v. Langsdorf}* von seinem Sohne
erzählt, zu verfolgen, um so mehr als er keine Namen der
Zeugen angiebt, welche die Wahrheit seiner Behauptungen
hätten bestätigen können. Für einen Russen genügt es
schon, nur allein den Bericht zu lesen, um sogleich zu
erkennen, wie wenig sein Verfasser die Bedingungen,
Gebräuche und Gewohnheiten, sowie die Gesetze kennt,
welche in Russland das Verhalten des Zaren, seiner
Minister und seiner Umgebung am Hofe regeln, um aus
vollem Herzen über die Naivetät zu lachen, mit der Herr
von Langsdorff die erhabenen Thaten seines Sohnes am
kaiserlichen Hofe schildert. Aber um nicht den Anschein
zu erwecken, ihn ohne Beweise widerlegen zu wollen, werde
ich mich nur auf die Hauptthatsache beschränken, bloss
auf seinen Bericht der Explosion, welche im Winterpalais
zu St Petersburg stattfand, und die Herr Heinrich von Längs*
dorff dem Kaiser Alexander IL eine halbe Stunde vor ihrem
Ausbruch vorhergesagt zu sagen vorgiebt.
1) Diese Explosion fand nicht erst im November 1880
statt, wie Herr von Langsdorff in seinem „Anhang" S. 258
und in seiner „Abhandlung" behauptet, sondern bereits im
Februar 1880.
2) Das kaiserliche Diner, welches in dem Speisesaale
stattfinden sollte, unter welchem das Dynamit explodirte,
wurde nicht durch ein Gespräch über die Vorhersage des
Herrn v. Langsdorff-Sohn (S. 259) verzögert, sondern durch
die Verzögerung des Zuges, der den Prinzen Alexander von
Hessen herbeiführen sollte, auf Veranlassung der Kaiserin
Marie Aiexandrowna. Nach der Ankunft desselben begab
sich die hohe Gesellschaft nach dem Speisesaale.
3) Die Entzündung der Dynamitbombe wurde von einem
Uhrwerk betrieben, dessen Reste man unter den Trümmern
fand, und nicht durch einen elektrischen Strom, der durch
einen unterirdischen Draht vom gegenüberliegenden Hause
aus geleitet worden wäre, von dem Herr v. Langsdor/f-Solm
sogar die Richtung zu kennen vorgab, indem er zum
Kaiser (!), wie er behauptet, sagte: — „Majestät, ich will
Ihnen die Linie auf der Strasse ziehen, unter welcher der
Draht läuft, der vom gegenüberliegenden Hause kommt."
— Wenn Herr v. Langsdorff-Sohn so gut informirt war, so
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