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Mummen: Zwei Dichter über spiritualistische Philosophie« 631
August Strindberg. Nach jedem seiner fürchterlichen Angriffe
auf die Grenzpfeiler der Erkenntniss, welche das Reich des
menschlichen Gehirnes von dem Reiche des Schöpfers
trennen, sinkt er gleichsam zitternd, gebrochenen Auges, mit
zerborstenen Muskeln nieder, um zu warten, bis frische
Kräfte sich sammeln, um wieder einen neuen Sturm zu
wagen. Während er früher die übermenschliche Erkenntniss
an den Thoren der Philosophie und Kunst zu erstürmen
begann, hat Strindberg jetzt diese Angriffspunkte verlassen.
Er hat einen neuen gewählt, wo er seine Kraft zu grösserem
Siege auszunützen hofft. . .
Messer9* Anführungen über Strindberg** chemische Experimente
, Familienkonflikte und zeitweilige Erkrankung dürfen wir
hier, als für unseren Zweck unwesentlicher, füglich übergehen.
Messer schreibt dann weiter: — „Dabei fühlt er immer
mehr das Dasein einer unsichtbaren Hand, die sein Schicksal
leitet in allem Grossen und Kleinen seines Lebens. 'Sobald
ich gefehlt habe, fühle ich mich auf frischer That ertappt
und mit einer Pünktlichkeit und einem Raffinement bestraft,
dass ich über das Eingreifen einer richterlichen Gewalt
keinen Zweifel mehr hege. Der Unbekannte ist mir ein
persönlicher Bekannter geworden, mit dem ich spreche, dem
ich Dank sage, den ich um Rath angehe. Manchmal vergleiche
ich ihn in meiner Einbildung mit dem Dämon des
Sokrates, und das Bewusstsein, dass mir die unbekannten
Mächte zur Seite stehen, verleiht mir eine Thatkraft und
eine Sicherheit, die mich zu ungewohnten Anstrengungen
antreiben. .. Ein Bankrottier der Gesellschaft, werde ich in
einer anderen Welt wiedergeboren, wohin mir niemand folgen
kann. Ehedem unbedeutende Ereignisse ziehen meine Aufmerksamkeit
auf sich, meine nächtlichen Träume nehmen die
Form von Ahnungen an, ich halte mich für einen Abgeschiedenen
, und mein Leben verläuft in einer anderen Sphäre..
Wieder folgt hier eine Besprechung der chemischen
Experimente Strindberg** und des Scheidungsprozesses mit
seiner Frau. Dann berichtet Messer weiter: — „Jetzt
schiebt Strindberg in die Erzählung Stücke aus seinem
naturphilosophischen Buch: — 'Sylva Sylvarum* — ein,
welches ein Buch ist 'von der grossen Unordnung und dem
unendlichen Zusammenhang.1 Zwei wunderbar tiefe Abhandlungen
, Versuche eines wissenschaftlichen Mysticismus folgen.
Um die Zeichnung des chaotischen Zustandes seiner Seele
zu vollenden, giebt er auch seine Kirchhofsstudien wieder,
wo sein durch Leid und Einsamkeit geläutertes Ich zu
unbestimmten Begriffen Gottes und der Unsterblichkeit
zurückkehrt. — Wie Nietzsche im 'Zarathustra', so kommt
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