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Gaj: Wahrträume und Visionen.
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ein äusserst folgsames und braves Kind war. Jedes Mal
aber, wenn man von Gott sprach, sagte er, er wolle zum
lieben Gott hinauf!** —
„Vor der Erkrankung meines Mannes, an welcher er
auch nach acht Monaten starb, träumte mir: — Mein Mann
ist gestorben. Der Leichenzug ist feierlich, imposant. Er
wird im offenen Sarge getragen. Er liegt in rother Generalsuniform
. Da sind wir schon auf dem Friedhof. Seine Gruft
ist auf einer Erhöhung. Nachdem wir ihn beerdigt haben,
bleibt das Militär, das ihm zu Ehren ausrückte, noch an
Ort und Stelle. Ich frage nun einen mir bekannten General,
der zu jener Zeit einen grossen Einfluss hatte, warum denn
das Militär stehe, und wen es erwarte? Er antwortet: —
'Es wartet noch auf meinen Leichenzug, der eben jetzt zu
meiner Gruft gekommen ist/ — Mit diesen Worten zeigt
er mir eine auf entgegengesetzter Seite stehende Gruft. Da
kam auch ein grossartiger Leichenzug, aber der Sarg war
leer. Der General gab mir zum Abschied seine Hand und
legte sich in den Sarg. — ,Sie leben ja noch', — sagte ich.
— 'Ach nein, oder wenigstens werde ich nicht lange nach
dem Tode Ihres Mannes leben', — antwortete er mir und
machte es sich noch bequemer im Sarge. Da wurde er
fortgetragen, ich aber wachte auf. — Acht Monate später
starb mein Mann, und er wurde in seiner Gruft, die am
selben Orte, wo ich sie im Traume sah, aufgeführt wurde,
begraben. — Dreiviertel Jahre danach starb derselbe General
in einem Bade, vom Schlage getroffen, und wurde gerade
an jenem Orte, den er mir im Traume gezeigt hatte, beerdigt
."*) —
„Drei Monate nach dem Tode meines Mannes träume
ich: — Meine jüngste (schon ein Jahr verheirathete
Schwester) heirathet. Es kommt mein Stubenmädchen mit
dem verstorbenen Viadan und fragt mich, was sie zum
Nachtmahl zubereiten solle. Ich ärgere mich über meine
Vergesslichkeit, da mein Mann krank ist und pünktlich sein
Nachtmahl haben muss. Es ist schon spät, und keine Speise
wird zur Zeit fertiggestellt werden können. Da erinnere
ich mich, dass in der Speisekammer meiner Mutter immer
viele Vorräthe aufgespeichert liegen, gehe dorthin und gebe
dem Stubenmädchen Melanzanen zum Zubereiten. Dieser
Traum machte mich besorgt. Ich fürchtete für meine Mutter.
Denselben Tag frug ich meinen jüngsten Bruder, ob alle zu
*) Frau Dr. Lazarevic gehört somit zur Klasse jener Vorspuk- und
Leichenseher, die wir bereits mehrfach und zuletzt im Oetober-Heft 1897
S. 568 Note charakterisirt und nachgewiesen haben. —
Der Sekr. d. Eed. Gr. C. Wüttg.
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