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668 Psychische Studien. XXV. Jahrg. 12. Heft. (December 1898.)
aus Dankbarkeit für eine innere Errungensehaft eine Lanze
für die Theosophie, die stets missverstanden wird, eingelegt.
Zum Schlüsse meiner Ausführungen möchte ich noch einige
Citate nebst Erläuterungen anführen; zunächst die Worte
von Duperon: — „Hier, gebildeter Leser, ist der Schlüssel
zu dem indischen Heiligthum, Er ist vom Roste etwas rauh.
Tritt ein, wenn Du es wagst, wenn Du es kannst, mit
reinem und lauterem Herzen, im Geiste gleichsam an das
höchste Wesen angeschmiegt und in dasselbe übertragen.
Lass ruhen die äusseren Sinne und wachen die inneren!
Dein Körper sei wie todt und versenkt in dem Meere des
Wissens und Nichtwissens; erkenne es nach alter indischer
Sitte als Gottessatzung an, dass Du ausser Gott nichts
siehst und ausser Gott Nichts ist!a —
Ebenso weist uns Schopenhauer auf den grossen Werth
des esoterischen Buddhismus hin mit den überzeugenden
Worten: — „Der Deutsche sollte rückhaltlos über die
indische Lehre aufgeklärt werden! er sollte wissen, dass
Brahma, Vishnu und Shiva keine mythologischen Figuren
sind, sondern Namen für Zustände, Kräfte und Eigenschaften.
Die reine Lehre von Brahm ist der Ursprung aller
Religion, wer sie kennt und erkennt, der hat Zutritt zu
den Religionen aller Völker und Sekten. Diese Lehre ist
kein Pantheismus: Alles ist geschafien, das Geschaffene ist
nicht Brahm; es ist nur die Grösse von Brahm. Alles
ist Brahm, und Brahm ist (das Wesentliche) in Allem.
Diese Lehre weist den Materialismus und Skepticismus ab,
sie führt bis zu einer Stufe, auf welcher kein Verlangen
nach einer höheren eintritt. Diese Lehre stellt die vollkommen
göttliche Weltregierung dar; sie ist die alleinige,
unfehlbare Richtschnur für das sittliche Handeln, sie macht
glücklich schon vor dem Tode." —
Oldenberg tritt ebenfalls der allgemeinen Ansicht entgegen
, dass im Buddhistenthum das „Nichts" das wahre
Wesen sei, das Sein ein Unrecht, das zu Nichts werden
müsse: — „Weder ausgesprochen, noch unausgesprochen,
weder im Vordergrunde, noch im fernsten Hintergrunde des
religiösen Denkens stand die Idee des Nichts." — Jene
falsche Anschauung beruht darauf, dass man unter
Buddhismus den entarteten Kultus versteht, wie er heute
noch geübt wird, und der ebenso veräusserlicht, exoterisch
geworden ist, wie dies mit dem modernen Christenthum
und mit der modernen Religionsanschauung überhaupt der
Fall ist. Das esoterische Buddhistenthum lehrt ganz anderes,
was allerdings unserem modern - materiellen Verstände
ebenfalls schwer verständlich ist.
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