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Kurze Notizen.
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Träume zurückkommt. In seinen „Nachrichten und Bemerkungen
über sich selbst" sagt er unter Anderem: —
„Einer der merkwürdigsten Züge in meinem Charakter ist
gewiss der seltsame Aberglaube, womit ich aus jeder Sache
eine Vorbedeutung ziehe und in einem Tage hundert Dinge
zum Orakel mache. Ich brauche es hier nicht zu beschreiben
, indem ich mich hier allzu wohl verstehe. Jedes
Kriechen eines Insekts dient mir zur Antwort auf eine
Präge über mein Schicksal. Ist das nicht sonderbar
von einem Professor der Physik? Ist es aber nicht
in der menschlichen Natur begründet und nur bei mir
monströs geworden, ausgedehnt über die Proportion natürlicher
Mischung, die an sich heilsam ist?" — Das ist
doch die Vorzeichendeuterei der alten Griechen und Römer
aus Vogelflug und anderen Naturereignissen, der Glaube
unserer deutschen Vorfahren beim Ueberdenwegspringen
eines Hasen, oder dem Krächzen einer Nachteule! Liegt
dieser Volksglaube nicht in den Traum- und Punktir-
büchern früherer Tage ausgedrückt und in all den seltsamen
Gebräuchen bei heiligen Festzeiten zur Ermittelung der
kommenden Schicksale? Wenn die Seele eines Menschen
dabei mit heiligem Ernst und Eifer betheiligt ist, kann sie
da nicht in den ekstatischen Zustand des mediumistischen
Trance und Hellsehens gerathen und wirklich Dinge voraus
sehen, die dem mit gewöhnlichen, wachen Sinnen Begabten
stets verborgen bleiben? Nur insofern sind alle
diese als Volksaberglauben verrufenen Gebräuche dennoch
zu beachten und zu beherzigen. Was da der Mensch in
seinem tiefsten Innern lebhaft fühlt, glaubt und will, das
offenbart sich ihm auch äusserlich. Hierdurch erklären
sich auch wohl die so verschiedenartigen, dem Gefühl der
Wahrnehmenden prophetisch erscheinenden Vorandeutungen
des Todes der Kaiserin Elisabeth von Oesterreich in unserem
November-Hefte 1398 S. 620 ff. - Dahin gehört auch
die Rubrik der „Wahrträume", deren drei von einem
Herrn G. Kl in H. im Grossherzogthum Oldenburg mit-
getheilt werden. Etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts
erblickte sein von einer weiten Geschäftsreise
zu Pferde heimkehrender Urgrossvater auf dem sog. Witte-
Feld von Engter nach Vörden im Osnabrück'schen Abends
an einer Richtstätte, einem Sandhügel, plötzlich ein grosses
Feuer, da* er sich erstaunt ansehen wollte, worüber er
aber vor Müdigkeit einschlief und erst wieder erwachte,
als er an demselben längst vorüber war. Heimgekehrt,
theilte man ihm mit, dass morgen eine Mordbrennerin aus
Vörden auf dieser Stelle durch Feuer hingerichtet werden
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