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Kniepf: Kaum and Zeit vom Standpunkte der occult. Fähigkeiten. 13
somnambules, zweites Gesicht« Diesen Unterschied nämlich
beachte man durchaus und halte daran fest, dass ich hier
nicht von der fastrologischen Diagnostik und Prognostik,
sondern von inneren, überfünfsinnlichen Fähigkeiten spreche,
durch welche thatsächlich Zeit und Baum nahezu oder
relativ, und auch dann nur vorübergehend aufgehoben
erscheinen. Ob sie es ganz sind, wäre noch die Frage!
Denn ich sagte schon, die somnambule Reduction von Zeit
und Raum in aller Art zweiten Gesichts dürfte auch nur
eine begrenzte sein und nur verhältnissmässig kleine Spannen
umfassen, denn was sind selbst einige Jahrtausende angesichts
der für uns unausdenkbar langen Dauer der sichtbaren
Welt nach Vorwärts und Rückwärts? So könnte es statthaben
, dass der anscheinend augenblicksschnelle Rapport
mit fernen Vorgängen im zweiten Gesicht auch noch immer
ein Zeitmass und eine fluide, materielle Vermittelung ein-
begriffe, analog den Geschwindigkeiten der Electricität oder
des Lichtstrahls.
Doch es giebt noch eine andere Form der überfünfsinnlichen
Wahrnehmung, welche meines Wissens von den
deutschen Occultisten noch wenig beachtet wurde; nämlich
die Trainirung der Sinne auf sehr feine, überfünfsinnlich
kleine und schnelle, also nach einer anderen Richtung hin
jenseits unserer durchschnittlichen Anschauung und Natur-
kenntniss belegene Dinge« Ich meine das Sehen der sonst
unsichtbaren Aura der Wesen, des Menschen, der Thiere,
Pflanzen und aller anderen Körper, überhaupt also
das Sehen im Reiche der „unsichtbarentt
Strahlung. Dass es eine solche giebt, weiss man jetzt
allgemein, aber dass es „Seher" und Sensitive dafür giebt,
begegnet noch vielem Zweifel, ist aber doch nur ein anderer
Fall des occulten Wahrnehmens. Die moderne Schulwissenschaft
rechnet nur mit einem sehr groben Durchschnittsmaass
der menschlichen Wahrnehmung, daher kann sie in Bezug
auf alle darüber hinausliegenden Thatsachen nicht mitsprechen
. Ihr Erstaunen und ihr Stolz ist deshalb um so
grösser, wenn es ihr einmal gelingt, einen Zipfel des Unsichtbaren
mit Hülfe ihrer Technik zu erwischen. So kommt
die für mindestens die Hälfte der Menschen allzeit fühlbare
unsichtbare Strahlung des Magneten und vieler anderer
Körper in den Lehrbüchern nicht vor; man lässt sich im
Naturerkennen vollständig durch die derzeit übliche Technik
einengen, man huldigt also einem krassen technologischen
Dogmatismus, womöglich einem solchen der Trockenplatte.
Es ist nicht zu leugnen, die Technik der Schulwissenschaft
leistet Vieles, was zum Theil die Sinne nicht leisten, aber
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