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16 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1899.)
und subtile Phänomene vor uns, also einoccultesMikro-
oder Nahe-Sehen als Gegenstück zum Fernsehen, an
dessen Möglichkeit also so wenig zu zweifeln ist, wie an
den übrigen mannigfaltigen Formen des zweiten Gesichts.
Der Unterschied bestände lediglich darin, dass das occulte
Nahesehen bis jetzt nicht nachzuprüfen ist, während sich
die Visionen des Fernsehens und sonstiger ähnlicher
Telepathie für uns bestätigen. Aber ein principieller
Unterschied besteht nicht, nur sind uns die Objecte der
Mikro-Hellseher bis jetzt auf keine andere Art zugänglich.
Eine Ausnahme aber macht, als durch Ziegler's analoge
Experimente erwiesen, das von Reichenback durchforschte
Gebiet einer, wie er es nannte, „odischen" oder odmagnetischen
Strahlung oder einer entsprechenden, jedenfalls auch nicht
einfachen Fluidform, die er auch, was später Ziegler bestätigte,
als verladbar und also als überleitbar bezeichnet. Sie
weist auch polare Zonen (Streifen) in horizontaler und
verticaler Eichtung auf, diese Zonen kennzeichnen sich
optisch durch Farben-Unterschiede, entsprechen einer Aura,
gleichartig der gewöhnlichen des sichtbaren Spectrums,
wenigstens soweit wir die Farben oder die Zonen desselben
als Farben erblicken. Vermuthlich sind im gewöhnlichen
Spectrum die in Reichenbach's magnetischer Aura geschilderten
schwer sichtbaren grau-weisslichen, weisslichen und rothgrau-
weisslichen Theiie auch vorhanden jenseits der violetten und
rothen Strahlen. Im Allgemeinen aber ist der Parallelismus
da; das sogenannte Odlicht der Körper muss also als ein
Licht unterhalb unserer gemeinen oder durchschnittlichen
Seh-Sphäre gelten. Es ist noch keine sehr übernormale
Sphäre der Sinne, sondern eine gewissermassen nur halb-
occulte; die Hellseher der Aura bezeichnen die odische
Strahlung Reichenbach1 ^ nämlich als einen nur kleinen und
groben Theil der Aura.
Die Thatsache nun, dass Zeit und Raum im Grossen
und im Kleinen und überfünfsinnlich Kleinsten durch die
menschliche Wahrnehmung überwunden werden, also übersprungen
oder andererseits noch mehr vertieft werden
können, dass sie also beliebig dehnbar sind je nach den
Objecten, welche durch die Sinne unter gewissen Umständen
und bei sehr anormaler Bethätigung der Wahrnehmung
erreicht werden, stempelt unsere gemeine Baum- und Zeitvorstellung
zu etwas Bedingtem und nicht Unabänderlichem,
zu Etwas, was einestheils zwar von den Sinnen, mehr aber
noch von den Objecten abhängt, welchen die Sinne sich
zuwenden. Das Schema natürlich bleibt, um mit Kant zu
reden; doch ohne Objecte entbehrt es aller näheren Be-
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