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Dankmar: Curiosa aus der Teufels-Periode des Mittelalters. 27
Mittel gegen die Werwolfskrankheit verräth: — „Die so an
der Wolffs-Krankheit laboriren, können geheylet werden,
wan man sie mit der Gabel vnversehens einmahlen just
zwischen die beyden Augen schlaegt." — Der Dämonenglaube
feierte wahre Orgien, und die Furcht vor grausigen Uebeln
hing wie eine dichte Wolke über dem Leben unserer Vorfahren
, ihre Herzen mit Schauer erfüllend.
Wir nennen also „Wehr Wolf" oder, richtiger
geschrieben: „W e r - W o 1 f tt (von w§r — Mann,=Mannwolf;
althd. werwulf; französisch loup-garou; englisch werewolve)
denjenigen Menschen, der sich selbst oder anderen als Wolf
erscheint, demgemäss handelt und sich wieder in menschliche
Gestalt zurückverwandelt. Bei der allgemeinen Verbreitung
dieser Annahme müssen wir auf ein gemeinsames Erklärungs-
piinzip schliessen, aus dem die Grundursachen erklärlich
sind, worauf die zoanthropischen Zustände des menschlichen
Organismus beruhen. Wenn wir die oben angeführten Beispiele
durchgehen, so fällt uns Folgendes in die Augen: —
Vor Allem kann die Verwandlung keine wirkliche gewesen
sein, d. h. wir können nicht die Umbildung eines Menschen
in ein Thier annehmen, und schon Augustinus sagt („de
civitate Dei" lib. 18), dass das Alles nur eitel Wahn und
Trug und Blendwerk des Teufels sei.*) Jedenfalls liegen
aber bestimmt die beiden Thatsachen vor, dass der Zoanthrop
selbst fest an seine Verwandlung glaubt und auch oft
von Dritten für ein Thier gehalten wird. Das Erste wäre
pathologisch zu erklären, und wir kommen gleich darauf,
— das zweite durch eine Hallucinationsübertragung, ausgehend
von dem ganz von seiner Manie besessenen Thiermenschen
, der Andere magisch fascinirt. Natürlich wird
eine solche Eascination leichter sein in solchen Zeiten und
an solchen Orten, wo der Glaube an Thierverwandlungen
allgemein in's Volksbewusstsein übergegangen ist. Auch
mögen oft ungewöhnlich schlaue Wölfe, die viel Schaden
anrichteten und schwer zu erlegen waren, für Werwölfe
geschichte eine grosse Rolle, da er der erste autoritative Ausspruch
der Kirche über Hexenglauben ist, und wäre er nicht durch die
bestialisch dummen und grausamen Dominikaner unter der schätze ns-
werthen Aegide des Papstes umgestossen worden: unserem Vaterlande
wäre die ganze blutige Hexenperiode wahrscheinlich erspart
geblieben.
*) Selbst der famose Verfasser des „Hexenhammers", Sr. Hochwürden
Jacobus Sprenger, glaubt nicht an wirkliche Verwandlung,
sondern an Sinnestäuschung durch den Teufel, oder dieser selbst
steckt in einem angenommenen Körper und treibt darin sein Unwesen.
Siehe: — „Malleus maleficarum4', Ausgabe 1588. Frankfurt a|M. ed.
Johannes iucharU Turnus I. pars I., quaest« X. p. 141 ff.
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