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Dr. Maier: Naturwissenschaftliche Seelenforschung.
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das Veränderungsgesetz, welches besagt, dass Alles,
was ist, in Bezug auf sein Sein überhaupt und auf sein
Dasein an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit
insbesondere, eine Entstehungsursache und einen Zweck
haben muss.
Das Objekt der Veränderung, bez. die Stelle, von der
aus der Effekt einer Veränderungsthätigkeit für ans wahrnehmbar
erscheint, nennen wir Stoff; die Veränderungsthätigkeit
selbst Kraft,*) Eins ohne das Andere ist undenkbar
.
*) Was die Definition dieses von den Vertretern der exakten
Naturforschung bis jetzt unerklärten Begriffs belangt, so möchten wir
hier wiederholt auf die vom Oberstudienrath 6T. Dülmann (Begründer
der württembergischen Realgymnasien und Rektor des Realgymnasiums
zu Stuttgart) in meinem vortrefflichen Buch: „Die Mathematik
die Fackelträgerin einer neuen Zeit" (Stuttgart W.Kohlhammer
, 1889) aufgestellte Theorie verweisen, wonach Raum, Zeit
und Kraft einfach als die drei Anschauungsformen (Kategorion im
Sinne KanVä) des denkenden Verstandes zu betrachten wären. Da wir
nämlich genöthigt sind, alles was vorgeht, also jede Erscheinung, als
die Wirkung von irgend einer Ursache anzusehen, so erscheint uns
eine Bewegung als unmittelbar wirkende Ursache
einer andern Bewegung aufgefasst unter der allgemeinen
Anschauungsform einer Kraftentfaltung, weiche demnach mit der
logischen Kausalitäts kategorie zusammenfallen wütde. Eine
Bewegung kann immer nur wieder durch eine Bewegung hervorgebracht
werden, denn jedes Bewegte ist zugleich ein Bewegendes. Aus demselben
Grunde kann auch eine Bewegung nur dutoh eine andere Bewegung
aufgehoben werden. Also ist das äussere Element, das in der
„Kraft44 steckt, kurz eine Bewegung, bekanntlich der letzte Begriff,
auf welchen die Naturforschung alle Erscheinungen zurückführt.
Aeusserlich betrachtet ist also eine Kraft nichts Anderes als
eine Bewegung unter dem Gesichtspunkt, dass sie
selbst wieder eine Bewegung hervorruft oder aufhebt
. Das innere (logische) Element aber ist dabei die Denkform
der Ursache. Die Anschauung der Kraft ist uämlich gerade
so aligemein und nothwendi« wie die Anschauungsformen von Kaum
und Zeit. Auch Haum und Zeit sind ja als etwas Aeusserliches nicht
in der Aussenwelt zu finden: aber etwas ist offenbar da, durch dessen
Zusammenwirken mit dem inneren Element jene Anschauungsformen
entstehen, das Nebeneinander und das Nacheinander, allgemein die
Ausdehnung der Weltsnbstanz. Beweis dafür sind die mathematischen
Formeln für die Bewegung, deren Gültigkeit und Tragweite durch die
Grenze unseres subjektiven Bewusstseins nicht aufgehoben wird. So
hören bekanntlich auch Licht und Farbe jenseits unseres Bewusstseins
auf, gehören somit der objektiven Aussenwelt nicht an; aber etwas, das
nach seiner Vereinigung mit dem inneren Element, welches das wahrnehmende
bubjekt hinzubriogt, als Licht und Farbe erscheinen muss,
ist doch objektiv da, nämlich die Wellenfolge im Aether. Das Nebeneinander
und das Nacheinander begründen die Ordnung, in welcher der
Aether selbst, in welchem auch die empirische Naturforschung die
allgemeinste Grundlage der Aussenwelt zu erkennen beginnt, vor-
handen und thätig ist. Raum, Zeit und Kraft bleiben, als das Neben-,
Nach- und Durcheinander der Dinge, als die allgemeinsten Formen der
Peyohiiohe Stadien. Januar 1809. 3
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