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48 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1890.)
Inzwischen ist mehr denn ein Vierteljahrhundert dahin
gegangen. Eine Art höherer Fügung, möchten wir sagen,
wollte es, dass Verfasser dieses vor etwa zwölf Jahren mit
dem Volksschriftsteller A* B. bekannt wurde. Bei dem sich
mit diesem entwickelnden gelegentlichen geselligen Verkehr
kam natürlich u. a. auch auf religiöse Dinge die Sprache.
Dabei wurde nun dem Verfasser dieses ein Einblick in ein
ihm bis dahin fast völlig unbekanntes Gebiet eröffnet. Durch
das Studium gewisser Schriften, wie z. B. der von dem
russischen Staatsrath Aksakow in Leipzig herausgegebenen
Zeitschrift „Psychische Studien", sowie der von dem Schriftsteller
Hübbe-Schleiden redigirten Monatsschriit „Sphinx4* u a.
wurde er mit diesem Gebiet zunächst theoretisch vertraut,
um dann bald auch practisch in dasselbe eingeführt zu werden.
Bevor wir nun näher hierauf eingehen, möchten wir
unseren entschiedenen Abscheu ausdrücken gegenüber einem
Wort, das in Folge des Unfugs und Schwindels, die schon
so vielfach mit demselben getrieben wurden, mit Recht
stark anrüchig geworden ist: es ist das Wort „Spiritismus.44*)
Wozu brauchen wir denn dieses widerliche lateinische Wort
für eine Sache, die jedem ernster veranlagten Menschen,
der sich einmal näher mit diesen Dingen beschäftigt hat,
zu einer heiligen werden muss! Mag man den „Spiritismus44
immerhin verspotten und^ verdammen — das Wort als
solches geben wir preis —, die Thatsache aber steht
fest, und für sie werden wir an der Hand absolut unanfechtbarer
Thatsachen den Beweis erbringen, dass ein
Verkshr in Form eines Gedankenaustausches mit unseren
Abgeschiedenen — und zwar von ihrer Seite aus durch die
Hand einer körperlich und seelisch dazu veranlagten Person
auf schriftlichem Wege — möglich ist, vorausgesetzt natürlich,
dass jene die ihnen gebotene Gelegenheit zu einem solchen
Verkehr zu benützen geneigt sind. Von einer „Beschwörung"
oder ähnlichem Unsinn ist dabei auch nicht im entferntesten
die Rede, die Sache vollzieht sich vielmehr in der gemüth-
lichsten, harmlosesten und — möchten wir sagen — natürlichsten
Weise.
*) Nachdem, wie Verf. zugesteht, gerade die von Amerika ausgegangene
spiritistische Bewegung den Wog gezeigt hat, auf welchem
ein Verkehr der Lebenden mit den Verstorbenen angebahnt und eben
damit der unumstössliche Beweis für das Vorhandensein einer übersinnlichen
Welt erbracht worden ist, sehen wir nicht ein, weshalb wegen
eines (durch Missbrauch allerdings erklärlichen) Vomrtheils statt des
einmal Oberlieferten Namens „Spiritismus" ein neuer für diese sprziellen
Phänomene gesucht werden sollte* Der Name thut doch schliesslich
nichts aur Sache« und womit wäre nicht schon Missbrauch getrieben
worden? Die Ked.
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