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Dr. G.: Eine Sitzung mit Eusapia Paladino in Paris. 79
in einem Raum von zwei Quadratmetern ein Stuhl und
einige kleine Gegenstände, eine Violine, ein Glöckchen, ein
Musikkästchen, ein Accordeon, das Herr Flammarion selbst
im Bazar gekauft hat, um gegen allen Betrug sieher zu
sein. In dieser Ecke befindet sieh weder Thür noch irgend
eine Verbindung mit dem übrigen Theil des Zimmers.
Eusapia setzt sich dem Tisch gegenüber, den Rücken
am Vorhang. Die zwei zur Kontrolle beauftragten Personen
setzen sich neben sie und ergreifen jede eine Hand des
Mediums, auf Ehre gelobend, sie auch keine Sekunde loszulassen
, Sie ergreifen den Daumen, eine Vorsicht, die jede
Verwechselung der Hände unmöglich macht. Ihre Füsse
halten die der Eusapia gefangen. Drei andere Zuschauer,
um den Tisch sitzend, bilden nach Mesmer's Weise die Kette,
und wir alle anbeweglich, ängstlich erwarten, was kommen
werde. Und bald bewegt sich Eusapia, wie die Pythonissin
auf ihrem Dteifuss; sie ist beklommen. II cuore! il cuore!
(das Herz!) flüstert sie, wie wenn sie sterben müsste. Sie
geht in Trance (Entzückung) über, doch verliert sie nicht
das Gefühl der Wirklichkeit und folgt dem, was um sie
her geschieht und gesagt wird; sie hat eine unerhörte
Feinheit der Wahrnehmung, nichts entgeht ihr; sie liest in
euren Blicken die Zweifel oder die Unruhe, die euch be-
schleichen, und wenn ein nervöses Zucken euch bewegt,
bemerkt sie es, und sogleich bemüht sie sich euch zu
beruhigen und eurer Seele die Ueberzeugung beizubringen.
Wenn man nicht überzeugt ist, so ist's nicht ihre Schuld:
diese Neapolitanerin ist entschieden intelligent.
Während zwei Stunden hat sie uns in eine Art unbestimmten
Alpdrückens versenkt. Zuerst bei hellem Licht erhob sich
der Tisch, den Boden verlassend; der Vorhang blähte sich auf,
stark gespannt, wie ein Segel, wenn der Wind weht. Dann
wurden die Lampen herabgedreht, und im Halbdunkel sahen
wir „Apporte" (ohne Hand herbeigebrachte Gegenstände).
Aus dem Hintergrund des schwarzen Kabinets wurden
Saiten der Violine in Schwingungen gesetzt, das Glöckchen
läutete, die Musikschachtel drehte ihre Kurbel, das
Tamburin spazirte über unsere Köpfe, seine Schellen
schüttelnd. Ich fühlte eine heimliche Hand meinen Aermel
zusammenziehen. In diesem Augenblick stiess Madame
Z. . . einen von Freude und Schrecken gemischten Schrei
aus, denn sie hatte eine ähnliche Berührung erfahren. Und
man hat meinen Bart gezupft und ich bekam ein Kissen
ins Gesicht, dass es mir blau und grau wurde. Mein Nachbar
zur Linken, einer der geistreichsten Pariser, hat deutlich
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