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92 Psychische Studien* XXVI. Jahrg. 2. Heft (Februar 1899.)
die mit der objektiven Methode des Verfassers zu erzielenden
Resultate in den Schatten gestellt werden, welche gewisser-
massen als die providentielle Ergänzung der schon durch
Entdeckung der Röntgenstrahlen der Wissenschaft gebotenen
unschädlichen Hilfsmittel betrachtet werden können.
Man wird es daher begreiflich finden, wenn der Verfasser
sein inschauendes Medium, eine von ihm nicht näher
bezeichnete Frau üf., mit welcher er seit Jahren zu ex-
perimentiren scheint, mit einer an Ehrfurcht grenzenden
Scheu zu behandeln pflegt. Bezeichnend hierfür dürfte
sein, was er selbst S. 249 von ihr sagt: „Vorstehende Seance
war eine der längsten. In der Folge sass ich dann noch
oft vor meiner opfervollen Inschauerin oder zu ihren Füssen.
Sie wurde mein geduldvoller Lehrer und ich ihr ungeduldiger,
oft schwer begreifender Schüler, mit dem sie manchmal ihr
liebes Kreuz hatte, dem sie sogar Vorwürfe machte. „„Du
fragst mich um nebensächliche Dinge, um das Wichtigere
aber nicht, und von mir aus kann ich es Dir nicht
sagen, Dein Wille muss mich leiten, ich selbst
kann es nicht/'44 (Vom Ref. als besonders charakteristisch
für das thatsächlich hypnotische Verhältniss zwischen dem
Agenten und der Percipientin unterstrichen.) Und jede
Sitzung brachte neue Eröffnungen und erfüllte mich mit
einem unbeschreiblichen rauschähnlichen Gefühl der Begeisterung
, — ein Aequivalent für die mancherlei Quälereien,
die der Unverstand eines nörgelsüchtigen Milieus mir und
leider auch meiner verdienstvollen Inschauerin bereitete."
Welches sind nun aber, so wird uns der ungeduldige
Leser fragen, die bis jetzt von Rudolf Müller gewonnenen
Resultate ? Darf ein nicht zünftiger Privatgelehrter — dies
scheint uns Verf. allem nach zu sein — sich der kühnen
Hoffnung hingeben, dass die offizielle Wissenschaft von
Forschungsergebnissen, die auf so zweifelhaftem Wege, d. h.
mit Anwendung einer von ihr wenigstens in dieser Form
nicht anerkannten neuen Metbode gewonnen wurden, überhaupt
Notiz nehmen, geschweige dieselbe sich jemals
aneignen wird?
Um diese Fragen zu beantworten und um sich selbst
ein Urtheil darüber zu bilden, ob es dem Hypnotismus,
der ja in die scheinbar so feste und unbesiegbare Burg
des Materialismus thatsächlich zuerst Bresche gelegt hat,
nun wirklich gelungen ist, sich ein neues, vorerst unermess-
liches Feld für die Wissenschaft fruchtbarster Thätigkeit
zu erobern, müssen wir den geschätzten Leser einladen,
sich vor allem mit dem Inhalt des kürzlich erschienenen
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