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Dr. Haier: Der Spiritualisten-Kongress von 1900.
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Vereinigung erheischt, wenn der geplante Kongress den
Eindruck des Imposanten machen soll.
Unter dem gemeinsamen Banner eines „Kongresses der
Spiritualisten" oder vielleicht noch besser „der psychischen
und moralischen Wissenschaften" können sich dann die
Theilnehmer aller Länder in einzelne Sektionen oder
Gruppen theilen und, was sie im Besonderen angeht,
getrennt berathen, nachdem sie sich über die gesammte
Organisation verständigt und die gemeinsamen Arbeiten
geregelt haben.
Nur noch ein Jahr trennt uns vom Ende des Jahrhunderts
und es ist Zeit an all dies zu denken. J. Bouvdry
hat auch im Anschluss an ein bemerkenswerthes Schreiben
des gelehrten Korrespondenten der spiritualistischen Presse
von England und Amerika, Herrn Murray, über „die
Kooperation (das Zusammenwirken) auf dem Kongress von
1900" in der ,„Paix universelle" vor allem auf die gemeinsamen
Momente in den Bestrebungen der psychologischen,
spiritistischen und okkultistischen Gesellschaften hingewiesen.
Die Sache selbst und das Vorgehen sind im Grunde
dieselben; ein vergleichendes experimentelles Studium wird
die Aehnlichkeiten und die Verschiedenheiten klar legen.
Angesichts der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft
der Zukunft sollten die sich bekämpfenden Gegner ihre
Taktik ändern und sich, soweit dies immer auf Grund der
eigenen Ueberzeugung möglich ist, die Hand zum Bunde
reichen. Der Wunsch gewisser französischer Spiritisten, einen
streng und ausschliesslich spiritistischen Kongress zu sehen,
dessen leitende Seele der Kardec'&che Offenbarungsspiritismus
wäre, muss der Erwägung weichen, dass der Spiritismus so
alt ist wie die Welt und schon deshalb weder von einer
einzelnen Schule gepachtet, noch durch einen einzigen
Namen vertreten sein kann, möge der betreffende Mann
auch noch so grosse Bedeutung und Achtung beanspruchen
dürfen, wie der hochverdiente, edle Allan Kardec, für dessen
Statue gegenwärtig Beiträge gesammelt werden. Der wahre
Gelehrte trennt nach einem schönen Ausspruch von Michelet
die verschiedenen Theile der Einen Wissenschaft nur, um
sie nachher wieder zusammenzusetzen; er studirt die Einzelheiten
nur, um sich dadurch zu klarerem und besserem
Verständniss des Ganzen zu erheben. Wehe uns, wenn wir
der immer weitergehenden Spezifizirung der Einzelheiten, in
welche sich die naturwissenschaftliche und die philosophische
Forschung mehr und mehr zersplittert, nicht endlich ein
Ziel setzen l
Psychische Studien. Februar 1899. 7
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