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154 Psychische Studien. XXVI. Jahig. 8. Heft. (Mürz 1899.)
Naturwissenschaftliche Seelenforschung.
Bericht über Rud. Müllems »Hypnotisches Hellseh-
Experiment."
Vom Redakteur Dr. Fr* Maier«
(Fortsetzung.)
Von besonderem Interesse ist das folgende (XII. Kapitel),
in welchem nun Verfasser über seine ersten experimentellen
Inschau-Versuche hinsichtlich der zuletzt erwähnten Vorgänge
im Gehirn, speziell in der Grosshirnrinde eines bewussten
lebenden Menschen berichtet, die er mit seinem von'ihm
durch wenige Striche hypnotisirten, sehr gut inschauenden
bezw. hellsehenden Medium in fortlaufenden Sitzungen
vornahm. Die hierbei naheliegende Gefahr einer unbewussten
oder gar bewussten Suggestion der eigenen Ideen des Agenten
scheint uns bei dem vom Verfasser eingehend beschriebenen
Verfahren vollkommen ausgeschlossen zu sein. Er betont
ausdrücklich, dass sein Medium unter anderem die (beim
hypnotischen Verfahren übrigens selbstverständliche) Eigentümlichkeit
besitze, dass es nur antworte, wenn es vom
Experimentiren den gefragt wird, und ausschliesslich auf
dasjenige, worauf sich dessen Frage bezieht, wobei es, um
das Medium nicht zu verwirren und unruhig zu machen,
unerlässlich sei, vor Beendigung einer begonnenen Ausführung
keinen neuerlichen Auftrag zu ertheüen.
Der völlige Mangel anatomischer und physiologischer
Schulung des weiblichen Mediums, (der aber
gera3e die Glaubwürdigkeit der in der Hauptsache mit
den schon bekannten Feststellungen jener Wissenschaften
übereinstimmenden Antworten in den Augen jedes Unbefangenen
bedeutend erhöht und den dem Skeptiker
naheliegenden Verdacht hysterischen unbewussten Betrugs
ausschliesstj, macht sich besonders in der Ausdrucksweise
fühlbar, so dass die Versuchsperson oft lange nach Worten
sucht, und das von ihr Geschaute mit Vorliebe in ihr
naheliegenden bildlichen Ausdrücken beschreibt. Verfasser
bemerkt noch (was übereifrigen Nachahmern zur Warnung
dienen möge!), dass ein solches Inschau-Experiment nicht
über eine halbe Stunde ausgedehnt und mit einer und
derselben Person höchstens in Zwischenräumen von zwei
bis drei Tagen vorgenommen werden darf, auch zu Zeiten
(namentlich während der Menstruation und selbstredend bei
etwaigem sonstigen Unwohlsein) ganz ausbleiben muss, wenn
nicht etwa die leibliche und seelische Gesundheit der
Versuchsperson darunter Noth leiden soll.
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