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Ein autodidaktischer Naturphilosoph.
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15jähriger Knabe hatte er, gegen allen Wunder- und Aberglauben
eifernd, einige Stunden von seiner Heimath entfernt,
einen Dienst bei einem ßauern angenommen, mit dem
Niemand verkehren wollte, weil er im Rufe stand, dass er
den „Kobold" (Teufel) habe* Trotz sorgfältigster Beobachtung
aller Vorgänge in dem betreffenden Hause hatte er aber nichts
bemerkt, was nicht natürlich und verständig zugegangen
wäre, so dass er sich dort bald heimisch fühlte. Dagegen
brachte er in Erfahrung, dass jener Bauer in den Geruch
des Teufelsspuks deshalb gerathen war, weil er verschiedene
Krankheiten durch Sympathie und sogenanntes „Ver-
sprechen** (bezw. Besprechen) mit unfehlbarem Erfolg kurirte.
Auch bemerkte der junge Stuub, dass auf den sehr sorgfältig
gepflegten Aeckern seines Dienstherrn am besten und auffallendsten
alles das gedieh, was dieser eigenhändig pflanzte
und pflegte, wodurch er unwillkürlich an den Erzvater Jakob
erinnert wurde, der durch das bekannte Verfahren an der
Tränke je nach Belieben bewirken konnte, dass die Schafe
gefleckt oder ungefleckt geboren wurden.
Als Staub später nach Hamburg kam, miethete er dort
ein Zimmer bei einer sehr wohlwollenden Frau, in deren
Sympathiekuren man gleichfalls grosses Vertrauen setzte,
wobei er die Beobachtung machte, dass die den Akt der
sympathischen Heilung begleitenden Ceremonien lediglich
den Zweck hatten, die ganze Aufmerksamkeit beider in
Betracht kommenden Personen auf die gemeinsame Sache
zu lenken. Sein schliesslicher Eindruck war der, dass nur
unter unverdorbenen Naturmenschen Personen denkbar sind,
welche wirklich sympathische Heilungen zu bewirken vermögen
, während derjenige Mensch, der im Stande ist, über
die Ursache der magischen Wirkung nachzudenken, eben
durch die klarbewusste Reflexion die Naturwirkung stört.
Dem Patienten thut vor allem Glaube noth, aber es ist
keineswegs der Glaube, der ihn heilt, sondern eine dem
Glauben ähnliche oder verwandte Gemüthsstimmung, die
ohne den Glauben nicht zu ihrem reinen, naturwahren
Ausdruck gelangen kann. Alles kommt darauf hinaus, dass
dieses reine, naturwahre Bedürfniss von zwei
verschiedenen Seiten auf einen gemeinsamen
Brennpunkt gelenkt wird, wobei das Heilen
der Krankheit durch Stoffbewegung mechanisch
erfolgt, so dass sich z. B. eine Geschwulst in einer jenem
Bedürfniss entsprechenden Richtung verzieht.
Dieser heilenden Magie steht die schaffende Magie
gegenüber. Hierher gehört das Wachsthum aller Formen
in der organischen Welt und die Zeugung derselben, sowohl
Payehische Studien. März 1899. 12
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