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178 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 3. Heft. (Miras 1899,)
Erstaunen fragen, wie ist dies möglich? Wir finden nur
Eine Erklärung dafür und diese ist, dass es noch zu viele
Spiritualisten giebt, welche die allererste Anfangsstufe im
Spiritualismus, d. h. die spiritistische noch nicht verlassen
haben. Sie sind immer auf der Suche nach „Testen" und
je wunderbarer diese sind, je mehr Dunkelheit dabei angewendet
wird, jemehr unbegreiflicher diese sind, desto
mehr wird von ihnen dahinter hergejagt, mit einem Heiss-
hunger, einer Leidenschaft und Blindheit, welche dem Betrug
Thor und Thür öffnet und die Schwindelmedien, oder
moralisch schwache Medien, geradezu auffordert Echwindelhafte
Methoden anzuwenden, oder mit solchen den theilweise
echten Manifestationen noch „nachzuhelfen." Niemand anders,
als solche Spiritualisten selbst sind verantwortlich für das
immer mehr überhand nehmende Treiben solcher Schwindler
in unseren Reihen, die nur von Geldgier geleitet auf die
Beraubung ihrer Mitmenschen ausgehen. Von überall hört
man von dem Treiben dieser Vampyre und je grösser der
Schwindel, desto stärker besucht sind leider die Versamm-
lungen und Cirkel derselben. Wir können nicht genug warnen,
nicht genug auf die mit „Professor", „Doctor" oder
„Rev." u. s. w. versehenen Anzeigen von Medien aufmerksam
machen; es sind ausgestellte Fallen, denn es giebt nur
sehr wenige echte, ehrenhafte und wahre Medien, welche
sich einen solchen Titel in Folge ihrer Kenntnisse erworben
haben und zu dieser Bezeichnung berechtigt sind.
g) Der unbewusste Mitwisser eines Mordes.
— lieber einen psychologisch sehr interessanten Fall einer
offenbar durch poetischen Instinkt (bezw, vermöge des
bei jedem echten Künstler unbewusst*) mit der erstaunlichen
Sicherheit der Natur thätigen Schöpfergenius) richtig
gefundenen Enthüllung der erst nachträglich vom Gericht
festgestellten Einzelheiten eines grässlichen Mords berichteten
jüngst die Tagesblätter in einer Form, welche jedem Unbefangenen
die Herbeiziehung eines blossen Zufalls zur
Erklärung sehr wohlfeil und daher wenig wahrscheinlich
erscheinen lassen dürfte. Die uns vorliegende Nr. 321 v.J.
der „Augsburger Abendzeitung" giebt von dem merkwürdigen
Vorfall nachfolgende Darstellung: Dass man auf Grund
*) Schon Plato lässt den Sokrmes in seiner Apologie anführen,
derselbe habe durch Fragen t die er an die Verfasser von Tragödien
und Dithyramben richtete, die Ueberzeugung gewonnen, dass die
Dichter nicht mit klarem Bewusstsein (bezw. Reflexion) ihre Kunstwerke
verfertigen, sondern in einer Art göttlicher Begeisterung, wie
die Seher und Wahrsager (wir würden sagen: die Somnambulen und
Trance-Medien),
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