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180 Psychische Stadien. XXVL Jahrg. 3. Heft. (März 1899.)
hin und ich lese seinen Namen „ William" geschrieben." — Dies
waren aber die von den angeblichen Schutzgeistern der
Dame vorher genannten Namen, während Herr Shepard
von einer Miss Z. . . niemals vorher gehört oder etwas
gewusst hatte! Noch überzeugender soll der Beweis gewesen
sein, welchen die genannte Miss Maccraedie, die gleichfalls
verschiedene Phantome gesehen haben wollte, dem Gastgeber
nach jener Sitzung in einem benachbarten Zimmer gab, in
dem sie ihm eine von ihr gesehene Dame genau beschrieb,
in welcher der verwittwete Herr der Beschreibung nach
seine verstorbene Gattin erkannte, deren (ihr gänzlich unbekannte
) Photographie Miss Maccraedie nachher auch unter
einer grossen Zahl ihr vorgelegter Photographien sofort
herausfand.
<) Der letzte Neujahrsgruss. Eine sehr merkwürdige
Erinnerung aus dem Leben unseres Altmeisters
Goethe theilt die bekannte Fanrilienzeitschrift „Illustrierte
Chronik der Zeit" unter obigem Titel mit. Da das interessante
Erlebniss unseres Wissens noch nicht bekannt, lassen
wir es folgen. — Am Morgen des letzten Neujahrstages,
den Schiller erlebte, am 1. Januar 1805, schrieb Goethe
ihm ein Gratulationsbillet. Als er es aber durchlas, fand
er, dass er darin unwillkürlich geschrieben hatte: „zum
letzten Neujahrstag" statt „erneuten" oder „wiedergekehrten"
oder dergleichen. Aergerlich zerriss Goethe das Geschriebene
und begann von vorne. Als er an die ominöse Zeile kam,
konnte er sich nur mit Mühe zurückhalten, wiederum „zum
letzten Neujahrstag!" zu schreiben. So drängte ihn die
Ahnung. An demselben Tage besuchte er Frau v. Stein,
er erzählte ihr, was ihm begegnet sei, und äusserte, es ahne
ihm, dass entweder er oder Schiller in diesem Jahre scheiden
werde. Leider bestätigte sich die Ahnung. Denn Schiller
starb am 9. Mai 1805. — Wir selbst haben unter der Aufschi
ift: „Ein ominöses Wort(< seiner Zeit in der„Ueber-
sinni Welt'- (Märzheft 1896, S. 77 u. ff.) über einen ahn-
liehen Fall berichtet, wo sich am Sezierkasten der bald
nachher an Blutvergiftung durch Leichengift zu Paris am
2. April 1888 verstorbenen hochbegabten Freundin des
Berichterstatters, Olga von Dalsen, in der Ecole de Medecine
beim Anbringen eines Selbstversehlusses die Buchstaben von
se 1 b81 zu dem geheimnissvollen Worte MORT zusammengefügt
hatten , das sich mir fünf Jahre später beim Tischrücken
unerwartet wiederholte. — Das Herbeiziehen eines
blossen Zufalles ist ja in solchen Fällen ebenso naheliegend
als wohlfeil. Ebenso wenig kann man sich aber angesichts solcher
scheinbar zufälligen Schicksalsverkündigungen wundern,
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