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198 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 4. Heft. (April 1899.)
das kategorische Wissen davon, dass Alles eitel ist. Worin
besteht nun aber das vorletzte, das auf unsere
Wissensstufe unmittelbar folgende Wissen, worin besteht
das Leben, Können und Wissen jenseits des Grabes und
giebt es Stimmen aus dem Geisterreiche, die dieses Wissen
auf Erden verkünden?
E. Friedrich: In der Bibel heisst es: — „Herr, lehre
uns bedenken, dass wir steiben müssen, auf das wir klug
werden!" — Diese Klugheit ist die nächste Wissensstufe,
ist das Wissen der abgeschiedenen Seelen, ist das unvermittelte
Wissen alles dessen, was unser beschränkter
Menschenverstand auf Erden nicht zu ergründen vermag.
Jenseits des Grabes herrscht schon die Allwissenheit!
Dort weiss die Seele, selbst wenn sie auf Erden dem
einfältigsten Menschenkinde angehörte, was hier der Klügste
nicht weiss.
Damit Sie mich ganz verstehen, möchte ich Ihnen
folgende, wahre Begebenheit aus meiner jüngsten Vergangenheit
erzählen: —
Es war in der Nacht vom 21. zum 22. Oktober dieses
Jahres. Ich war Abends früh nach Hause gekommen und
hatte mich zeitig zu Bette gelegt. Bald schlief ich ein, oder
besser, ich versank in jenen Halbschlaf, in dem wir halb
der Wirklichkeit, halb dem Traumleben angehören. Halb
träumte ich es, halb sah ich mein Bett rings umgeben von
schattenhaften Frauengestalten, die mir einst nahe gestanden
hatten, die aber längst nicht mehr dem Leben angehörten.
Unter ihnen befand sich eine Frau, die ihrem an einer
furchtbaren Krankheit gestorbenen Knaben bald in die
Ewigkeit nachgefolgt war.
Ich muss hier einschalten, dass ich mit der Erforschung
dieser Krankheit und ihrer Heilmittel mich lange Zeit
beschäftigt hatte, dass ich auch kurz vor dem Tode des
Kindes zu einem definitiven Mittel in der That gelangt war,
dessen Anwendung beim Menschen jedoch auf verschiedene
Schwierigkeiten stiess. Seitdem waren über fünf Jahre
vergangen.
Nun stand der Schatten dieses einst so bezaubernd
schönen Weibes an meinem Bette und rang die Hände, die
ich vergeblich zu ergreifen und festzuhalten versuchte. Das
geräumige Schlafzimmer war in tiefschwarze Nacht gehüllt,
die Thüre zum Nebenzimmer geschlossen. Von diesem
Grabesdunkel hoben die Schatten, die mein Bett umringten,
sich wie schwarzgraue Nebelgebilde gespenstisch ab. Es
waren nicht etwa Todtengerippe, die ich einzeln wahrnahm,
alle trugen sie Kleider, die mir wohlbekannt erschienen.
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