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Knopsttiek-Rowel: Interview über die höchsten psychol. Probleme. 203
mit Gott, diese reine Allseele, der Universalgott, nach einer
Ewigkeit von Zeitlosigkeit den Ueberdruss von Neuem
empfindet, immer und ewig mit sich selbst allein zu sein,
immer und ewig eine Gleichgültigkeit zur Schau zu tragen,
die er, der Gott der wahren Liebe, überhaupt nicht besitzt,
so giebt er auf Grund seines Absolutismus sich persönlich
jenen schöpferischen Stoss und Gegenstoss, denen
dann auf vielen Umwegen ein neuer Kosmos entspringt
(Urzeugung). Der schöpferische Stoss und Gegenstoss
oder, was dasselbe bedeutet, die offenbarmachende
schöpferische Selbstentzweiung des Universalgottes,
der grenzenlosen Eins, des „Selbst", hat als sichtbare
Reaction eine Zusammenstellung, eine Verdichtung
der Monaden, seiner durch Zwischenräume auseinander
gehaltenen Spiegelbilder, im All zur Folge und diese Verdichtung
unter Ausschluss des von den Zwischenräumen
repräsentirten heiligen Geistes schliesslich eine neue Welt
im tiefsten Innern des Alls, eine neue, sichtbare Reinigung
(mundus) des Alls von allen jenen geheimen und unreinen
Gedanken, die mit der Zeit, aus langer Weile, in der Einsamkeit
selbst einem Gotte kommen können.
Endlich erlöst wird dieser Gott von seiner selbstlosen
Aufgabe, in seiner unendlichen Verlassenheit auch an Andere
zu denken, auch Andere an seinem grenzenlosen Besitzthume
theilnehmen zu lassen, erst dann sein, wenn sich im Innern
des Allgutes beim besten Willen keine selbstsüchtige Materie
mehr auftreiben lässt, aus der ein neuer Kosmos (Schmuck:
Spiegelbild der Eitelkeit: Schleifstein der Sitte: paradoxe
Analogie des Universums) geschaffen werden könnte. —
Als Herr E. Friedrich geendet hatte, fragte ich mich,
sind die Worte dieses Metaphysikers Phantasie, Dichtung
oder Wahrheit ? Eine innere Stimme antwortete mir darauf:
— Was du hörtest, war Wahrheit, war jene wahre
Theosophie, die keine blosse Lehre mehr von Gott ist,
sondern ein Gottwissen, ein Versunkensein in Gott und
seine unfehlbaren Werke,
Ganz still gingen wir durch die Nacht. Ueber uns
Hessen die Sterne ihr ewiges Licht leuchten. Tiefe Wehmuth
beschlich mich, ich dachte an meine Lieben daheim, ich
dachte auch an einen theueren Freund, dessen Geist schon
seit Jahren umnachtet ist. Was wird aus dessen Seele
werden, wenn der Körper aufhört, das Gefäss für sie zu
sein? In diesem Sinne stellte ich noch meine letzte Frage
an meinen Begleiter: — Was wird schliesslich aus der
Seele eines Geistesumnachteten, eines Wahnsinnigen, geht
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