http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0216
206 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 4. Heft. (April 1899.)
hallucinirtes Gemälde, denn es ist weder vorher, noch
nachher da, die Lippen der Gestalt sind roth, ihre Augen
bewegen sich, und zuletzt tritt sie aus dem Bilde heraus.
Durch das Erscheinen der astralen Mönchsgestalt im Rahmen
des alterthümlichen Bildes wird sozusagen nur die betreffende
transscendentale Erinnerungstastesymbolisirt,
welche durch das Verbrennen von Theilen des Bilderrahmens
angeschlagen worden ist, und auf welche
Action nun alles Folgende die Reaction darstellt.
Dass dem Grafen odische Lebenskraft entzogen wird, erhellt
aus der „fremdartigen Kälte", die ihn durchzieht, der
Schlafsucht, die ihn befällt und zuletzt in einer Art Katalepsie
endet. Das Phantom sucht ihn durch Fascination („Augen-
duell") in schlafartigen Zustand zu bringen, (so wie
Phyllo8toma Spectrum durch fortwährendes Flügelschlagen
eine angenehme Kühle hervorbringt und den Betreffenden
dadurch einschläfert, um ihm ungestört aus den Zehen Blut
zu entsaugen,) und haftet sich dem Auf- und Abschreitenden
an die Sohlen. Fredro verfällt dadurch jedenfalls in einen
larvirten Schlafzustand, in dem sich Reales und Geträumtes
phantastisch mischen; daraus erklärt sich das Zerschmettern
des Bildes, der Kampf u. s. f. Daher hat der frühere Redactions-
Sekretär der „Psych. Studien", Dr. Gr. C. Wittig, meiner
Meinung nach den Nagel auf den Kopf getroffen, wenn er
auf „Vampyrismus" schliesst: durch das Betreten und
Devastiren der Leichenhalle war ein Rapport zwischen dem
sensitiven Fredro und der an den Wirkenskreis seines Lebens
gebundenen Triebseele des Mönches hergestellt worden und
jener so in den verderblichen Bannkreis eines Vampyrs
getreten. Dafür sprechen auch die blaurothen Stigmas
an Fredro's Körper. —
Zwischen diesen erdgebundenen Elementargeistern nun,
welche sich aus den irdischen Beziehungen nicht loslösen
können und sich sozusagen in ihre irdische Personalität
(persona — Maske) v e r se he n haben, — sie haben sich „in
ihre Creatur vergafft", würde Jacob Böhme sagen! — und
dem, was ihre irdische Person darstellt, also ihrem Porträt
(Gemälde), muss ein gewisser Zusammenhang bestehen.
Da sie sich, iga Wahne befangen, noch nicht auf ihre
eigentliche Individualität (ihr unsterblich-göttliches Theil)
besonnen haben und ihnen die Form, in der sich diese
Individualität im Erdenleben darstellte, als das Wichtige
und Erhakenswerthe erscheint, so wäre es einleuchtend, dass
ihnen Gemälde, Porträts, welche diese ihre irdische Form
darstellen, sehr theuer sind und so ein psychischer
Rapport zwischen ihnen und dem Bilde stattfindet, welcher
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0216