http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0226
216 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 4. Heft. (April 18Ö9.)
bezeichnet, indem dieselben (im Wortsinn von eidos-Gestalt)
als die intellektuellen Gestaltungen eines wahrgenommenen
Gegenstandes, keineswegs als „Musterbilder11 oder „ewige
Formen der Dinge an sieh" im Sinne Plate?$, aufzufassen
seien.
Sinnestäuschungen entstehen durch falsche Kollusioni-
rungen, nämlich dadurch, dass eine Wahrnehmung Repulsions-
bahnen und Bahnverbindungen aushebt, weiche die Reizeffekte
des Gegenstandes, von dem der Reiz herrührt, mittelst der
Nerven der anderen, nicht getroffenen Sinne in Wirklichkeit
nicht ausgehoben hätten, wenn diese anderen Sinne durch
die Reize desselben Gegenstandes direkt wären beeinflusst
worden.
Die verwandten Empfindungen bezw. ihre
Ladungen sind im Gehirn auch räumlich kollocirt,
was als Association der Empfindungen bezeichnet wird. Es
assimiliren sich daher nur Ladungen und Empfindungen,
nicht aber Vorstellungen. Die Ladungen sind potentielle
Energien, die Vorstellungen aktuelle. Die Aktualität der
letzteren bringt es bei dem Bestehen der gebahnten Verbindungen
mit sich, dass von ihnen aus verwandte schwache
Vorstellungen wieder auflebend gemacht werden; hierin
besteht das Associiren von Vorstellungen. —
Die durch die hypnotische Inschau gewonnenen Aufschlüsse
bestätigen durchwegs die Lehre von der Indifferenz
der Nervensubstanz und ergeben mit Sicherheit, dass
das bewusste Empfinden, das Bewusstsein ein fortwährendes
Geschehen ist, indem die Landungen,
Repulsirungen, Kollusionirungen und Illusionirungen ein
fortdauerndes Wirken, bezw. wirkliche Geschehnisse
sind. Die Scheidung der Vorstellungen in innere und äussere
Erfahrung und ihre Deutung als Ich und Nicht-Ich ist
unstatthaft. Jede Vorstellung, mag sie stark oder
schwach sein, ist nur allem existent als ein
Bewusstseinsinhalt und ist subjektiv undobjek-
tiv zugleich (also ähnlich wie wir Raum und Zeit als
Neben- und Nacheinander in Einer Bewegung unterscheiden,
womit der Nachweis für die Berechtigung der monistischen
Weltauffassung erbracht ist. Red.). Deshalb ist jeder
Be wusstseinsinhalt im Subjekt nls ein Objekt, nämlich als
Denkobjekt vorhanden, mag es nun das Denken selbst oder
einen durch die sinnliche Wahrnehmung vorgestellten
Gegenstand der Aussenwelt betreffen.
Die Bewusstwerdungen überhaupt sind durchwegs von
der Fluktuation subjektivischer Empfindungen abhängig,
welche nicht allein die grosse Hauptmasse des Gehirns
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0226