Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
26. Jahrgang.1899
Seite: 239
(PDF, 195 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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Litteraturbericht.

239

Buch geschrieben hat, der ein Stück Herz und Seele in sein Werk verwoben
hat.

Diesen Lichtseiten stehen leider schwere Mängel gegenüber. Der
feuilletonistische Charakter des Ganzen hat den Verfasser zur Oberflächlichkeit
, seine Begeisterung hat ihn zur Vernachlässigung der Kritik verleitet
.

Der behandelte Stoff beschränkt sich im wesentlichen auf einen Theil
der in deutscher Sprache erschienenen okkultistischen Werke. Die ganze
französische und englische Originallitteratur fehlt. Dies fällt um so
schwerer ins Gewicht, als gerade das Niveau der diesbezüglichen deutschen
Litteratur — mit einigen Ausnahmen wie du Prel> Aksakow, Wittig ^
Harlmann u. a. — ein ziemlich niedrigstehendes ist. Die exakten Arbeiten
rühren grossentheils von Franzosen und Engländern her. — Ferner ver-
misst man die Benutzung der historischen Litteratur dieses Gebietes und
schliesslich fast ganz die psychologische Fachliteratur. So ist schon in
dieser Beziehung das GVsche Werk ein Versuch mit untauglichen Mitteln.

Auch die Form, in der dieser Stoff verarbeitet ist, ist mangelhaft.
Eine Systematik fehlt und an ihre Stelle tritt das Aphorismenhafte, der
Essai. Das wirkt sicherlich anregend, aber die Klarheit leidet darunter.

Am meisten aber ist die wissenschaftliche Behandlung des Stoffes
nach der materiellen Seite hin verfehlt. Von einer Kritik der Thatsachen
ist wenig die Rede. Ich will hier nicht von dem Material reden, das der
Verfasser aus der Litteratur bringt, obgleich es bitter ist, Namen wie
Crookes, Richet, Lombroso mit Cyriax, Lehsten und Marryal auf eine
Stufe gestellt zu sehen. Aber man prüfe einmal das vom Verfasser beigebrachte
Original-Material. Ueberall das Bestreben, möglichst Wunderbares
zu erzählen, selten auch nur ein Ansatz zur Kritik! Ich stelle
keineswegs in Abrede, dass sich unter den berichteten Thatsachen werthvolles
Material findet. Aber nur wenige Fälle sind so berichtet, dass sie
das exakte Thatsachengebiet erweitern. — Die Schlüsse, die der Verfasser
aus seinen Stoffen zieht, gehen weit über das Ziel hinaus. Er steckt so
völlig in der Geistergläubigkeit, dass er seine Folgerungen immer nach
dieser Seite hin zieht. In dieser Beziehung hätte er von dem vorsichtig
vorwärtsschreitenden Aksakow — auch einem Spiritisten — manches
lernen können. Selbst wenn die Existenz von Geistern experimentell erweisbar
wäre, sollte man doch mit diesem Erklärungsprinzip sparsam
wirtschaften. Aber solche Theorien wie S. 232 ff. grenzen an's Phantastische
. Wenn der Verfasser die modernen Arbeiten über Hysterie,
Hystero-Hypnose, Hallucinationen, Unterbewusstsein, Exteriorisation der
Bewegung u. s. w. durchstudirt, wird er vielleicht zu dem Resultat
kommen, dass sein Thatsachenmaterial für das Luftschloss seiner Theorien
doch nicht den Grund und Boden bietet. Gaj sucht im Okkultismus ein
philosophisches Problem; er sollte zunächst erst einmal das psychologische
Problem darin suchen. Ehe wir Theorien bauen, müssen wir
Thatsachen feststellen. Das werden wir aber nur können, wenn wir die
Forschungen der modernen Psychologie zum Ausgangspunkt nehmen.

Fasse ich mein Urtheil zusammen, so muss ich das Gaf sehe Werk
als einen interessanten, aber misslungenen Versuch bezeichnen. Sein Verfasser
ist nicht an seinem Talent gescheitert, sondern an seinen Kenntnissen
. Das ist schon Grösseren passirt und wird ihn hoffentlich nicht
entmuthigen. Ich glaube, dass ein so tüchtiges Talent sich durcharbeiten
und der Wissenschaft nicht verloren sein wird.

Der grosse Haufe der Laien, der ja im Okkultismus seit Alters her
tonangebend gewesen ist, wird voraussichtlich das Gafsehe Werk mit
dem üblichen Jubel begrüssen. Damit ist weder der Wissenschaft noch
dem Verfasser gedient. Die Kritik erfüllt ihre ideale Aufgabe nur, wenn
sie vom Forum der Wissenschaft herab Recht spricht „nach bestem Wissen


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