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250 Psychische Stadien. XXVI. Jahrg. 5. Heft (Mai 1899.)
werth sind, geben erst den Hintergrund für die wissenschaftliche
Beleuchtung ab. Durch ihren Verlust wird die
Beobachtung selbst völlig entstellt. Es ist also wahrscheinlich
, dass der vorliegende Bericht sich mit den Thatsachen
überhaupt nicht deckt. An einigen Kleinigkeiten lässt sich
dies nachweisen. So wird z. B. erzählt, .die Amerikanerin
habe sich mit dem Vater des Mediums eingehend im Atelier
über ihre Familienverhältnisse unterhalten; dann aber
heisst es, bei der Sitzung — bei der der Vater anwesend
war — habe man eine Dolmetscherin hinzugezogen, um
sich überhaupt mit der Dame zu verständigen. Hier liegt
ein Widerspruch oder eine Ungenauigkeit vor. Ferner ist es
ganz unwahrscheinlich, dass eine Amerikanerin nach Italien
kommt — ich nehme an, die Sitzung habe in Italien stattgefunden
, doch fehlt jede Angabe über den Sitzungsort 1
— ohne ein Wort Französisch oder Italienisch zu kennen.
Es fehlt ferner jede Angabe, welche Sprachen das Medium
gekannt hat, — ebenso eine Notiz, welcher Zeitraum zwischen
den einzelnen Fragen und Antworten liegt — alles Um-
stände, ohne die eine wissenschaftliche Wirkung des Falles
unmöglich ist.
Noch schlimmer sieht es aus, wenn wir auf die Person
des Beobachters zurückgehen. Der Beobachter ist ein
leichtgläubiger Junge von 15 Jahren und dazu das Medium!!
Er giebt selbst zu, alles so hingenommen zu haben, wie es
ihm seine Mutter erzählte. Nun gehört aber zu jeder Beobachtung
Erfahrung und Einsicht in das specielle Gebiet.
Ohne diese haben alle Beobachtungen nur subjektiven Werth
und die meisten Berichte der officiellen Entlarver wie der in
wissenschaftlichen Untersuchungen unbewanderten Spiritisten
sind schon deswegen gänzlich unbrauchbar. Im vorliegenden
Falle aber war der Beobachter zugleich das Medium. Ich
darf als bekannt voraussetzen, dass die automatische Schrift
auf der Reproduction unbewusster Vorstellungen beruht.
Dieses Auftauchen der unbewussten Vorstellungen geschieht
parallel mit einer Trübung des Bewusstseins, die oft nur
die Gestalt eines leichten traumartigen Zustandes annimmt,
ohne dass deshalb die mächtige Erschütterung durch den
Trance erforderlich ist. In einem solchen Zustande der
Störung des Bewusstseins hört selbstverständlich jede
Fähigkeit zu genauen Beobachtungen auf. Wenn daher im
vorliegenden Falle Medium und Beobachter in einer Person
vereinigt sind, so werden ihre Berichte auf objektiven Werth
kaum Anspruch machen können.
Der Beobachter befand sich zudem in Spannung und
Erwartung. In solchen Zuständen ist die Aufmerksamkeit
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