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Speck-Bohn: Ein eigentümlicher Fall von automatischer Schrift. 255
Die Stelle des Uebertragers A nimmt die Amerikanerin
ein. Dieser Dame ist an einer Botschaft ihres verstorbenen
Gatten aussergewöhnlich viel gelegen, wie aus ihrem
stürmischen Bitten hervorgeht. Associativ muss mit der
Vorstellung ihres Gatten auch die Vorstellung des ehemaligen
Zerwürfnisses mit ihm in ihrem ßewusstsein aufblitzen,
zumal dieser Gedanke sie fortwährend quält; sie erzählt vor
der Sitzung dem Vater, alle Wünsche des Verstorbenen
erfüllt zu haben, und giebt nachträglich zu, in diesem Gedanken
ihre Beruhigung gegen das Bewusstsein des ehemaligen
Streits zu finden. Mit diesem Gedanken tritt sie
an die Sitzung heran, Sie will offenbar wissen, ob ihr
Mann versöhnt ist. Stellt man sich nun die Aufregung vor,
die sich ihrer nach der Erzählung des Vaters von den
vorgekommenen Schauergeschichten bemächtigt hat, so ist
es offenbar, dass sie den sie beherrschenden Gedanken
unwillkürlich flüstert. Als aber die erste wunderbare Mittheilung
kommt, verliert sie — wie auch der Bericht erwähnt
— alle Selbstbeherrschung. Dass sie nun das Wort „Nigger"
oder etwas ähnliches vor sich hin sprach, kann kein
Wunder nehmen.
Als Empfänger B fungirte das Medium. Dieses war
auf8 höchste interessirt, durch eine scheinbare Geisteroffenbarung
seine Mediumität vor der Amerikanerin zu
bewahren. Es nahm diesen Wunsch in den leichten
hypnotischen Zustand hinüber, der mit dem psychischen
Automatismus meistens verbunden ist. Mit suggestiver Kraft
trieb er es, auf alles zu achten, was ihm die Gedanken der
Amerikanerin verrathen möchte. Dadurch wurde die eintretende
Hyperästhesie des Gehörs auf das unwillkürliche
Flüstern der Dame gerichtet, und der Erfolg konnte nicht
ausbleiben. Ins Gewicht fällt dabei die Uebung, die das
Medium durch eine Reihe vorangegangener Sitzungen bereits
erworben hatte. Auch wusste es vorher, dass es sich um
den Gatten der Amerikanerin handelte. Es brauchte also
blos Stichworte wie „Feindschaft", „erzürnt", „Neger" u. s. w.
zu hören und dabei das Mienenspiel der Dame zu beobachten, .
um sich die verblüffenden Mittheilungen zusammenzustellen.
Bezeichnend ist es, dass es dieselbe in seiner spiritistischen
Anschauungsweise verarbeitet, und den Geist in Nigritien
für die Abschaffung der Sklaverei wirken lässt.
Diese Erklärung scheint jedoch im Widerspruch mit
einer Thatsache zu stehen: die Dame spricht englisch, das
Medium aber italienisch. Der Bericht versagt in dieser
Richtung. Man muss also annehmen, dass beide eine Sprache
verstanden, die sie gemeinschaftlich kannten. Wahrscheinlich
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