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278 Psychische Stadien. XXYI. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1899.)
gegen die Decke und Mit den Baum mit Massen von
zischendem Dampf. Endlich, während der Kessel fast zu
schmelzen scheint, langt Tripler mit seiner Hand in das
dampfende Gefäss hinein und zieht daraus einige---
Eisstücke hervor, zum grossen Erstaunen der Zuschauer.
Dann nimmt er den Kessel von der Gasflamme weg und
dreht ihn um: man sieht, dass er innen vollkommen trocken
ist, obgleich die Dampfentwickelung noch immer nicht aufgehört
hat, dafür ist der ganze Boden des Zinnkessels mit
einer Lage von Eis bedeckt. Je stärker das Feuer unter
dem Kessel angefacht wird, desto dicker bildet sich die
Eisschicht. Sie ist weiss wie Porzellan und hart wie Stahl,
und Tripler Hess sie in dem Kessel eine halbe Stunde lang
neben dem rothglühenden eisernen Ofen stehen, ohne dass
das Eis merklich geschmolzen wäre. Alle Begriffe, alle
Vorstellungen sind hier verkehrt: die flüssige Luft, die ganz
wie Wasser aussieht, ist etwas ganz Anderes, das Eis, rein
und schön wie Krystall gebildet, hat ganz andere Eigenschaften
, und dasselbe ist, wie wir schon gesehen haben,
mit dem Dampf der Fall. Die Erklärung dafür ist, dass
alle diese Vorgänge bei einer Temperatur stattfinden,- gegen
die das Klima des Nordpols eine Art von Hundstagshitze
bedeuten würde. Mit keinem der gebräuchlichen Thermometer
kann man diese Temperatur messen, denn Quecksilber und
Alkohol gefrieren darin sofort. Wer nur auf zehn Sekunden
seinen Finger in die Flüssigkeit halten würde, der würde
dieses Glied ebenso vollkommen verlieren, als wenn er es
für dieselbe Zeit in Feuer gehalten hätte, denn die
Flüssigkeit hat eine Temperatur von 400 Grad Fahrenheit
unter Null.
Wie wird diese flüssige Luft nun hergestellt? — Tripler
nimmt gewöhnliche atmosphärische Luft, wie Jeder sie auf
den Strassen einathmet, und presst sie mittelst einer
Dampfpumpe von 50 Pferdestärken zusammen. Der Druck
wird so lange fortgesetzt, bis er auf Tausende von Pfund
pro Quadratzoll angewachsen ist. Man kann sich einen
Begriff von einer derartigen Compression machen, wenn man
sich vorstellen würde, die gesammte Luft in einer grossen
Kirche würde so lange zusammengedrückt, bis sie in einen
kleinen Stahlcylinder von 1 Liter hineinginge. Noch immer
aber ist gasige Luft und nichts Anderes vorhanden. Nun
aber wird der Stahlcylinder erhitzt, wodurch sich sein
Inhalt ausdehnt und unter noch immer stärkeren Druck
geräth, bis er in den flüssigen Zustand übergeht und in ein
darunter gestelltes Gefäss hineintropft. Dies Alles geschieht
durch eine Maschinerie! die mit einer Handbewegung in
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