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Kurze Notizen.
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einer angeborenen Gelenkigkeit und ist darin begünstigt
durch eine ungewöhnlich grosse Hand und abnorm lange
und muskulöse Finger; ebenso durch eine Stimme
von ausnahmsweisem Umfange und Schmiegsamkeit. Man
sollte nun meinen, dann hätte er einen guten Sänger und
Klavierspieler abgeben müssen durch Schulung. Die hierzu
nöthigen aktiven Eigenschaften muss er doch aber nicht
besitzen, und das erscheint insofern um so richtiger, als
bedeutende Anlage zum Mediumismus das gerade Gegentheil
voraussetzt, nämlich eine grosse passive Empfänglichkeit
für Einflüsse von Anderen. Der Mediumismus ist ja nur das
Extrem einer solchen Empfänglichkeit gesteigert bis zur
Hochsensitivität; in geringeren Graden ist er allen Menschen
eigen mit Ausnahme der Wenigen, wo eine solche Eindrucks-
iähigkeit kaum noch vorkommt, also z. B. eines Napoleon
der seine Persönlichkeit vielmehr allen Uebrigen aufzwang.
Also Shepard „wurde" in der That gespielt; es kamen auch
scheinbare Kunststücke dabei zum Vorschein, als wenn vierhändig
gespielt würde. Im Ganzen war aber diese Musik
durch alle Piecen hindurch in eine wehmüthige Färbung
getaucht, es war Alles überschleiert mit der Dumpfheit
des Grabes! Technisch präzis und vollendet im Sinne
unserer Meister ist sie durchaus nicht, trotz aller Pingerfertigkeit
. Aber staunen muss man manchmal doch über
die Gelenkigkeit und schier unbegreifliche Wucht und Fülle
der Tonmassen. Wie weit aber eigene Ausbildung und
fremder Einfluss dabei mitsprechen, kann Niemand be-
urtheilen, der nicht des Mediums musikalischen Lebensweg
kennt. Er versicherte mir, nie zu wissen, welcher Vortrag
kommen soll und sich ganz passiv in Allem zu verhalten.
Diesen Eindruck machte auch seine ganze Individualität auf
mich, und er ist auch sonst eine sehr leidende Seele. Der
gleichartige, deprimirend schwermüthige Grundton aller
Vorträge — nicht Jeder mag dies herausfühlen — zeigt
aber an, dass auch hier die Individualität „animistisch"
noch immer eine Rolle spielt.--
Der Erzengel Gabriel und sein Berliner Konkurrent säen
allerdings viel Spreu und wenig Weizen. Doch soll die
Couidon gesagt haben, dass der Papst bald nach Faure
sterben*) würde, woran der Papst neulich selbst erinnert
*) Schon in der Nummer vom 1. November 1897 veröffentlichte
„L'Echo du Metveilleux" folgende in der Tbat interessaute Voraussagung
der Mme Couesdon (sich: Auf die Ftage, ob die Wahl des
nächsten Papstes unter dem Sept nnat von Fe'lix Faure statttiuden
werde, lautete die Antwort in prägnanter Kürze: „Je vois plus 61oign§
— Cet homme va Stre dte" (Ich sehe es in weiterer Ferne; dieser
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