http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0322
312 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 6. Heft. (Mai 1899.)
Jahrhunderts so viele Schriften über diesen Gegenstand
erschienen sind, dass eine eigene Bibliothek dazu gehört,
sie zu sammeln. Alle Diskussionen drehen sich um den
Punkt, ob der immaterielle Einfluss eines Menschen auf
einen anderen wirklich möglich ist, oder ob die bekannten
und unwiderlegbaren Heilungen nicht das Ergebniss der
psychischen Disposition der Kranken selber sind. Die Zahl
der Aerzte, welche, im Allgemeinen die Möglichkeit dieser
Beeinflussung anerkennend, nur die letztgenannte Hypothese
für zulässig halten, ist gross, während das Häuflein derjenigen,
die sich schüchtern und wenig bestimmt zu Gunsten der
ersteren Theorie bekennen, noch klein ist. Aber gerade an
letztere will sich der Verfasser wenden, indem er ihnen zur
Hilfe kommt und ihnen die Ergebnisse seiner Untersuchungen
mittheilt, die er im Gebiet der Elektrizität gemacht hat,
sowie die Theorie der neuen Entdeckung im Bereich der
von ihm speziell ausgebildeten Photographie.
Der Verfasser ist felsenfest davon überzeugt, dass die
elektrische Phosphorescenz und die Energographie, so wie
er sie versteht, die beiden Seiten ein und derselben Medaille
bilden und sich ergänzen, wie Theorie und Praxis. Aus
der elektrischen Phosphorescenz und Energographie ergiebt
sich nach seinem Dafürhalten die Frage nach der Existenz
einer neuen immateriellen Kraft im menschlichen Organismus
, die er polare physiologische Energie benannt
hat (alias: das universelle Fluidum der Alten, der astrale
Einfluss nach Paracelsus, die Lebenskraft nach Maxwell, der
Archäus nach Van Helmont, der thierische Magnetismus
nach Mesmer, die animalische Elektrizität nach Puysdgur,
das Od nach Reichenbach, das Lebensfluidum etc.)
Nach einem fünfzehnjährigen Studium über diese Frage
ist der Verfasser zu dem Schlüsse gelangt, dass bei dem
immateriellen Einfluss einer Person auf die andere zugleich
zwei Agentien wirksam sind, die man wohl unterscheiden
muss. In gewissen Fällen beruht der ganze Schwerpunkt
des Einflusses thatsächlich auf dem den Experimenten
unterworfenen Subjekt. Es sind dies Fälle von reiner
Hypnose, oder besser gesagt, von Suggestion, wobei alles
von der suggestiven Befähigung des Individuums abhängt,
die Suggestion aufzunehmen (Suggestibilität), und man kann
sich bei diesen Fällen, je nach dem Subjekt, dem Phänomen
der Autosuggestion gegenüber befinden.
Solche Subjekte sind indess, was man wissen muss,
nicht zahlreich.
In der Mehrzahl der Fälle hängt dagegen das Resultat
gänzlich und ausschliesslich von dem immateriellen Einfluss
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0322