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352 Phobische Studien, XXVL Jahrg. 6. Heft. (Juni 1899.)
thatsächlich gar nichts gethan; denn es handelt sich doch
darum zu zeigen, 1) wie und warum eine solche entsteht
und 2) inwiefern sie wirklich Geschehendes mittheilen kann.
Wie dieses schwierige Problem ohne die Annahme supernormaler
psychischer Fähigkeiten, bezw. von Jenseits
einwirkender Intelligenzen gelöst werden könnte, sehe ich
vorerst nicht ein. Von einem „unwillkürlichen Zuflüstern
" eines Agenten kann ja in beiden obigen Fällen
gewiss nicht die Bede sein. Ueberhaupt scheint mir diese
von Dr. E. Boihn mit so viel Scharfsinn in seiner Kritik des
von Gordigiani berichteten eigenthümlichen Falles von automatischer
Schrift (im Maiheft, Abth. I, S. 253 u. ff.) verwerthete
Theorie von Hansen-Lehmann höchstens einen für viele Fälle
möglichen und für manche sogar wahrscheinlichen Erklärungsgrund
zu bieten, der jedoch eben so oft angesichts
der Unmöglichkeit, eine unbewusst flüsternde Person anzunehmen
, versagen wird. — Was speziell die Gedankenübertragung
betrifft, so muss ich auf Grund eigener,
namentlich beim Tischrücken im Jahre 1893 gemachter
Erfahrungen konstatiren, dass mir selbst einige Mal eine
Frage, die ich nur in Gedanken an die sich angeblich
manifestirende verstorbene Freundin (vgl. März-Heft, Kurze
Notiz t) S. 180) richtete, mit rapider Schnelligkeit
durch das automatisch schreibende Medium vollkommen
zutreffend und bedeutungsvoll beantwortet, oder schon,
während ich sie dachte, die Antwort aus dem Tisch heraus
geklopft wurde, und zwar meist eben nicht so, wie ich
selbst mir die Antwort gedacht hatte. Dr. ßohn
wird mir wohl entgegen halten, ich sei (wie schon die ihm
seiner Zeit mitgetheilten Protokolle beweisen) in Folge meines
sehnsüchtigen Wunsches, mich vom Fortleben der Verstorbenen
zu überzeugen, als Experimentator offenbar
befangen gewesen, was ich nicht bestreiten kann noch
will. Wenn ich aber auch voraussetzen wollte, mir selbst
unbewusst gebliebene Gedanken seien damals theils durch
Klopf laute, theils durch automatische Schrift der Medien
zu Tage gekommen, so müsste ich, wenn ich nicht direkte
intellektuelle Beeinflussung des Mediums von Seiten der
fortwirkenden psychischen Kraft der Verstorbenen auf dem
Wege des „Gedankenblitzes" annehmen soll, dabei allermindestens
an übersinnliche Gedankenübertragung
glauben. Denn 1) weiss ich ganz bestimmt, — eben weil
ich mich so skeptisch verhielt, dass ich mit peinlichster
Sorgfalt jede denkbare Beeinflussung vom Medium fern zu
halten suchte, — dass ich weder bewusst, noch unbewusst
dabei geflüstert habe und 2) sass das Medium (in einem
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