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382 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 7. Heft (Juli 1899.)
z. B. kam ich einmal auf die tolle Idee, eine Fahrt als
Matrose auf einem muhamedanischen Pilgerschiff mitzumachen
. Anzumustern war mir als Ungläubigem nicht
möglich, ich schmuggelte mich also an Bord, auf mein
gutes Glück vertrauend, dass man mich, wenn ich auf
offener See zum Vorschein käme, nicht über Bord werfen
und auch nicht massakriren würde. Mein Glück verliess
mich denn auch nicht, und wenn ich auch wie ein Hund
behandelt wurde und die Zeit nicht noch einmal durchmachen
möchte, so möchte ich sie doch auch nicht in meinen
Erinnerungen entbehren. Wir luden in Dschedda den
Dampfer voll Mekka- und Medinapilger, die nach Konstantinopel
überzuführen waren, mussten, ehe wir den Suezkanal
passiren durften, in Kabel-el-Tor Quarantäne leisten,
und da wiederholt Cholerafälle vorkamen, blieben wir hier
ein Vierteljahr liegen; die Pilger wurden ausgeschifft und
in einem Zeltlager beobachtet. Die Mannschaft des in
Bombay gemusterten Schiffes bestand aus Japanern, Arabern
und Kulis; der Koch war ein Hindu, der, obschon er eigentlich
kein Fakir und nicht religiös gesinnt war, sich auf allerhand
Gaukeleien verstand, mit denen er die vornehmen
Kajütenpassagiere unterhalten musste. Unter einem Korbe
verwandelte er Thiere — was ihm nicht immer gelang — ;
dagegen glückte ihm stets das schnelle Wachsen von Pflanzen
und das Gedankenlesen; ferner stach er sich durch den Arm
und Hess aus einer unsichtbaren Wunde auf Kommando
beliebig viele Blutstropfen fliessen. Ich hatte dergleichen
oft genug in Indien selbst gesehen und wusste daher, dass
es zum Theil Täuschung war, zum Theil aber auch nicht;
ich hatte keine andere Erklärung dafür gefunden, als eben
Gedankenübertragung, denn schliesslich wird man gegen so
etwas auch völlig abgestumpft Hier nun wurde ich aber
Zeuge, wie sich der Gaukler vor der Vorstellung auto-
hypnotisirte, indem er Kräuterdampf einathmete und
den Kopf solange auf eine grässliche Weise gegen Brust und
Nacken schlug, bis er betäubt hinfiel, worauf er eine Zeit
wie todt dalag, dann scheinbar ganz normal aufstand und
seine Verwandlungen ausführte. Manchmal nahm er die
Manipulationen aber nicht vor, und ich konnte mir nicht
klar darüber werden, wann er es that und wann nicht. Bei
dem Blutfliessenlassen that er es z. B. stets; bei dem
schnellen Wachsen that er es nur manchmal, und gerade
letzteres war offenbar keine Täuschung; er nahm auch
keinen präparirten Samen, sondern irgend ein Korn, das
man ihm gab. Nahm er heute ein Weizenkorn, morgen
wieder ein solches, übermorgen auch, so brauchte er sich
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