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4 lü Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1899.)
psychischen Kraft), die schon im Hypnotismus so unzweifelhaft
deutlich zu Tage tritt, nicht anerkennen zu müssen!
[Näheres über diese interessanten Versuche von Lehmann
berichtete inzwischen Dr. E. Bohn im Maiheft S. 253 u. ff,]
b) Einen interessanten Fall von Telepathie
theilt mir ein in Stuttgart lebender naher Verwandter mit,
für dessen Wahrheitsliebe ich mich verbürgen kann und
dessen Zeugniss um so unbefangener erscheinen muss, als
derselbe bisher sich niemals mit okkultistischen Problemen
befasst hat. Der mir am 10. April er. zugegangene Brief
lautet wörtlich: „Lieber —! Schon längst ist es meine Absicht
, Dir zu schreiben, und will ich dieselbe heute endlich
ausführen. Für die Psych. Studien danke ich Dir bestens;
ich lese dieselben mit Interesse, stehe jedoch der Sache
selbst nicht nahe genug, um sämmtliche Artikel genügend
verdauen zu können, und so wähle ich eben heraus, was
ich begreifen kann. Die Idee, vermittelst der Lehre des
Spiritismus auf die Sittlichkeit des Volkes einzuwirken, ist,
wie sie in dem „offenen Brief" (S. 1) angeregt wird, wohl sehr
schön, aber ich fürchte nur, bei der grossen Masse würde
dadurch der Gespensterglaube*) wieder aufgeweckt. — Nun
habe ich schon lange einen Traum aufgeschrieben, welcher
Dich sicher interessiren wird, und der, wenn man die Ursachen
verfolgt, eine tiefere Bedeutung haben könnte. —
Ein alter Bekannter von mir, — ca. 60 Jahre alt, —
welcher in früheren Jahren als Schauspieler thätig war, sah
in der Nacht vom 8. Januar er., resp. gegen Morgen, im
Traum seinen ältesten Jugendfreund und Kollegen vor sich
stehen, welcher ihm eine Rolle übergeben wollte; dieselbe
hatte nicht das Aussehen einer geschriebenen Bühnenrolle,
sondern sah einem Aktenstück ähnlich; er weigerte sich,
die Bolle anzunehmen, indem er sagte: „Du weisst doch,
dass ich seit Jahren nicht mehr Theater spiele" etc. Der
Freund jedoch bat mit den Worten: „Ich bitte Dich, Karl,
thu' es mir zu Liebe und nimm die Rolle." Schliesslich
gab er dem Drängen nach und versprach, die Rolle zu übernehmen
. Dies hatte er so lebhaft geträumt und so deutlich
gesehen, dass er sich beim Erwachen im Bett aufsetzte
*) Die schädlichen Wirkungen des beim Volk (namentlich auf dem
Lande) aus guten Gründen ohnedem nicht auszurottenden „Gespensterglaubens
" können nur durch die von der okkultistischen Wissenschaft
zu gebende Aufklärung über das wahre Wesen der Phantomerscheinungen
und speziell durch die Erkenntnis^, dass dieselben durchaus
nicht zu fürchten sind, paralysirt werden. Auch diese geistige
Befreiung von thöriohtein Aberglauben gehört mit zu den Aufgaben
der „Psych« Studien." Eed.
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