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418 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 7. Ueft. (Juli 1899.)
c) Ueber die Anmeldung eines Sterbenden im
Traum berichtet uns ein zweites Schreiben, das dem
Schriftleiter kurz nach obigem Brief zuging. Ein durchaus
zuverlässiger früherer Schüler schreibt uns: „Verehrter
Herr Professor! Für das mir gütigst zugesandte Probe-Heft
der „Psych. Stud." bestens dankend, erlaube ich mir, Ihnen
ein Erlebniss mitzutheiien, das für Sie von Interesse sein
dürfte. Mein vor anderthalb Jahren verstorbener Bruder
E. . . ., Ihr früherer Schüler, war als Ingenieur in Norddeutschland
angestellt. Er hatte uns seiner Zeit einen
Besuch in Aussicht gestellt und von Tag zu Tag erwarteten
wir seine Ankunft. Da erhielt ich von seiner Frau eine
Karte, er sei erkrankt. Tags darauf kam von ihm selbst
eine Karte, er habe Rippenfellentzündung und er bitte meine
Mutter zu kommen, um seine Frau bei der Verpflegung zu
unterstützen. An einen raschen, tödtlichen Ausgang dieser
Krankheit dachte ich nicht, da schon einige meiner Bekannten
dasselbe Leiden nach etwa zwei bis drei Monaten
glücklich überstanden. Meine Mutter bestimmte die Abreise
auf den folgenden Tag und wir gingen zu Bett. — Ich hatte
etwa zwei Stunden geschlafen, und von Dingen geträumt,
welche auf das Tags zuvor Erlebte keinen Bezug hatten.
Da wurde ich plötzlich in meinem Traum gestört, ich kam
dem Erwachen nahe und wurde aus diesem Zustande durch
eine Stimme geweckt, welche mir ins Ohr flüsterte
(vgl. Juni-Heft, Kurze Notizen c) Nachwort): „Jetzt geht
es dem Ende zu!" Dabei hatte ich die Empfindung, als
stehen mehrere Leute an einem Sterbelager. Ich richtete
mich auf, sah und hörte aber nichts weiter, und legte deshalb
der Sache keine Bedeutung bei. Ich schlief bald wieder ein,
wurde aber nach etwa zwei Stunden vom Eilboten geweckt,
der ein Telegramm brachte, dass mein Bruder an Herzlähmung
gestorben sei. Jetzt erzählte mir auch meine
Mutter, sie habe Tags zuvor, ehe die Karte von meiner
Schwägerin kam, im Traume einen Leichenzug gesehen,
habe aber, um uns nicht zu ängstigen, nichts davon gesagt.
Später erfuhr ich von meiner Schwägerin, dass gerade
zu der Zeit, als ich von jener Stimme geweckt
wurde, mein Bruder gestorben sei. — Indem ich
hoffe, dass Sie meiner Mittheilung vollen Glauben schenken
werden, besonders auch deshalb, weil ich mich, wie Sie
ja wissen, dem Spiritismus von jeher vollständig ungläubig
gegenüber stellte, verbleibe ich mit hochachtungsvollem
Gruss Ihr dankbarer Schüler stud. rer. mont. C. — Stuttgart
, im April 189?).
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