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420 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1899.)
Arbeiten fast ausschliesslich von Angehörigen der grossen Knlturstaaten
herrühren, während die Nebenländer nur ausnahmsweise hervorgetreten
sind. Das trifft auch auf jenen Zweig der Psychologie zu, der sich mit
den mediumistischen Erscheinungen beschäftigt. Hier stehen England,
Frankreich, Russland in erster, Deutschland und Italien in zweiter, Spanien
in dritter Linie. Die kleineren Länder haben dauernde Bedeutung nicht
zu erlangen vermocht. Es gilt dies z. B. von Dänemark und dem benachbarten
Schweden und Norwegen. Die dänischen (okkultistischen)
Zeitschriften ,,Lysets Banner" und „Fra de to Verdenner", die norwegische
„Morgendaemringen", und Schweden mit „Efterar* und „Theosophisk
Tidskrift" haben bisher auf die Wissenschaft keinen Eint'uss gehabt. Von
schwedischen Schriftstellern ist in Deutschland wohl nur Matthews Udler
bekannt. Durch das Erscheinen des Lehmann'schen Werkes — Lehmann
ist Däne — hat sich dieses Verhältniss mit einem Schlage geändert. Sein
Erscheinen bedeutet für die mediumistische Forschung ein Ereigniss. Zum
ersten Mal hat ein moderner Psychologe das gesammte Gebiet des Okkultismus
mit dem Lichte psycho-physischer Forschung durchleuchtet. Glänzend
in seinem Aufbau, reich an neuen Gesichtspunkten und Gedanken, ragt
dieses Werk trotz seiner bedeutenden Fehler thurmhoch aus der Flut der
populären okkultistischen Litteratur hervor. Es ist keine Tageserscheinung,
die kommt und geht, sondern ein monumentales Werk, das auf Jahre hinaus
die Wissenschaft beeinflussen wird. An dieser Stelle sei hervorgehoben,
dass die Uebersetzung ein Meisterwerk und bereits die Ausstattung, wie dies
bei dem l'Jtke'schen Verlage selbstverständlich, nach jeder Richtung vornehm
ist.
Lehmann ist in Deutschland hauptsächlich durch seine Arbeit über
„Unwillkürliches Flüstern" (in Bd. u von WundPs Philosophischen
Studien) bekannt geworden Die vorliegende Arbeit erschien dänisch 1893.
Doch hat X. die Uebersetzung bis 1898 ergänzt und sein Urtheil begreift
demgemäss das bis 1898 vorliegende Material in sich — ein Punkt, der
für die Beurtheilung von Gewicht ist. Zur Zeit ist L. Direktor des psycho-
physischen Laboratoriums der Universität Kopenhagen.
Den Gegenstand des Werkes bildet der Abelglaube und die Zauberei.
Aberglaube ist nach L jede Annahme, die entweder keine Berechtigung
in einer bestimmten Religion hat oder im Widerstreit steht mit der wissenschaftlichen
Auffassung der Natur einer bestimmten Zeit. Jede Handlung,
die aus Aberglaube entspringt oder von abergläubischen Vorstellungen aus
erklärt wird, ist Magie. Die Magie ist also die Praxis, der Aberglaube
die Theorie. Beide sind Ausschreitungen des menschlichen Geistes auf
religiösem und wissenschaftlichem Gebiete, kurz: Irrthümer. (S. 1.) Damit
ist die Tendenz des Zöschen Werkes gekennzeichnet: da der Okkultismus
von dieser Definition umspannt wird, muss er a priori ein Irrthum sein.
Die Definition ist jedoch unrichtig. Man beachte, dass sie negativ
ist, während ihr positiver Ausgangspunkt „die wissenschaftliche Auffassung
der Natur einer bestimmten Zeit" ist. Eine solche konstante Grösse
exisrirt in der Wirklichkeit nicht; es giebt keine wissenschaftliche Auffassung
einer Zeit als einheitliche Grosse. Die Wissenschaft befindet sich
im ewigen Wechsel des Fortschritts und gerade in den streitigen Gebieten
— ich erinnere an die Telepathie — ist von einer Communis opinio keine
Rede. Darum hat Z.'s Definition des Aberglaubens im Leben keinen Halt.
Sie riecht nach der Oellampe. Verhängnissen wird sie jedoch erst durch
den Gewaltstreich Z.'s, a priori alles, was unter jenen Begriff fällt, als
Trrthum zu bezeichnen. Damit wird jeder Fortschritt als „Aberglaube"
anrüchig gemacht, jede neue Idee von vornherein als Irrthum gebrandmarkt
. Man merkt die Absicht und wird verstimmt. —
Das begrifflich abgesteckte Gebiet behandelt X. derart, dass er sein
Werk in zwei grosse Theile zerlegt. Der erste Theil schildert die historische
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