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Handrich: Räthsel.
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„Es giebt keinen schlagenderen Beleg des in die Seele
des Menschen eindringenden Verlangens nach Befreiung
von den durch die herkömmliche Wissenschaftlichkeit ihr
auferlegten Schranken, als die durch den ausgezeichneten
deutschen Fachgelehrten Professor Ostwald mit steigendem
Erfolg unternommene Einführung der Vorstellung der
„Energie" als des allen Erscheinungen zu Grunde liegenden
grossen Agens. In einem berühmt gewordenen Vortrag, den
der Genannte vor wenigen Jahren vor der „Gesellschaft
deutscher Naturforscher und Aerzte" hielt, wurde ein JFeldzug
zur ,,Ueberwindung des wissenschaftlichen Materialismus"
eingeleitet, in welchem die Hoffnung auf einen ungeahnten
Blick „in das, was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält
", verborgen liegt. Ostwald suchte nachzuweisen: dass
die bisherige mateiialistische oder mechanische Vorstellung
des Weltgeschehens zur Erklärung sämmtlicher Beobachtungs-
thatsachen nicht allein nicht ausreichend, sondern auch durch
den Zwang, Alles atomistisch sich vorzustellen, hinderlich
und darum als schädlich zu verwerfen sei. An ihre Stelle
müsse bei dem jetzigen Stande der Wissenschaft die „voraussetzungslose
, energetische Vorstellung" treten, welche zwar
auch nicht alle Erscheinungen zu erklären im Stande sein
werde und daher in späterer Zukunft durch eine noch
allgemeinere Theorie ersetzt werden müsse; aber gegen die
beschränkte atomistische, materialistische Auffassung sei die
energetische ein Fortschritt, dem sich die Wissenschaft bald
ganz zuwenden werde. (Schluss folgt.)
11. Abtheilung*
Theoretisches und Kritisches.
Zur Frage von dem Wesen des Raumes.
Von Geheimrath Dr. JS. v. Seeland in Kiew (Russland.)*)
I.
Der Umstand, dass man noch bis heute über die Natur
des Raumes nicht ganz im reinen ist, lässt — wenigstens
•) Mit gütige" Erlaubnis® des hochgeehrten Herrn Verf, der sich
als „neuen, aber eifrigen Leser der „Psych Studien" einführt, bringen
wir mit Bezugnahme auf die im März-Heft (Kurze Notizen c) angeregte
Streitfrage einen Auszug aus obiger, im „Philos. Jahrbuch4' 1898-99
erschienenen, tiefdurchdachten Abhandlung, wobei wir uns im I. Haupt-
thei! mit Röcksicht auf unsere Raumverhaltnisse auf Mittheilung der
wichtigsten Resultate beschranken müssen. Red.
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