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v. Seeland: Zur Frage von dem Wesen des Raumes. 449 ;
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unausgedehnte Einigungen sind: 1) Wir vermögen zwei sehr
verschiedene, gleichzeitig erschallende Laute, z. ß. einen 1
Glockenklang und einen schrillen Pfift, sofort als eine Gehörswahrnehmung
, die aus zwei Elementen besteht, zu 1
erkennen, selbst wenn die Wahrnehmung eine momentane
war.*) 2) Man pflegt auch von einem im menschlichen Geiste
bestehenden „Nebeneinander" zu reden; wir finden z. B. im
Bewusstsein gleichzeitig verschiedenartige, ja unversöhnbare
Gefühle, Wünsche u. s. w. vor, und doch fehlt auch hier
das Bezeichnende des Nebeneinander der Ausdehnung: indem
das Bewusstsein gleichzeitig Mehrfaches und Verschiedenartiges
in sich vereinigt, durchdringt sich in ihm dieses
Mehrfache und wirkt durch einander hindurch. Wie heterogen
immer die Elemente, aus denen das Seelenleben besteht,
unter einander sein mögen, sie wirken alle auf einander ein,
und das Ich empfängt dadurch sein eigenartiges Gepräge,
wenn es auch scheinen möchte, dass manches in einem
gegebenen Moment nicht mitwirkt, da die Aufmerksamkeit
sich gerade mit etwas Anderem abgiebt. Fände ein solches
Zusammen- und Durcheinander wirken nicht statt, so gäbe
es kein beständiges, eigenartiges Ich. Bei aller Vielheit
verhält sich die Einheit der Psyche ungefähr wie die der
verschiedenartigen Kräfte, die einen sich bewegenden
Körper treiben.
Obwohl man, um sich nicht in Widersprüche zu verwickeln
, eine besondere psychische Kraft als Grundlage,
Tiiebfeder und Sammelpunkt der sich im Gehirn abspielenden
Seelenfunktionen annehmen muss, so können wir nicht umhin,
uns jene Kraft selber in einem gewissen Sinne als ein
Räumliches zu denken. Denn erstens ist sie offenbar an ein
Räumliches, d. h. an den Organismus und speziell an das
Gehirn gebunden; ferner wissen wir, dass gewisse spezielle
Hirntheile gewissen Seelenfunktionen entsprechen. Da wir
nun keine Kraft ohne ein zu deren Offenbarung notwendiges
Substrat kennen, so können wir uns hypothetisch
denken, dass auch Seelenkraft und Bewusstsein ihren Träger
in Gestalt einer eigenartigen Substanz haben, welche in einem
gewissen Verhältnisse zum Nervensystem steht und ein über
*) Eine räumliche Wahrnehmung kann zwar auch durch mehrere
ungleichartige (und gleichzeitige) Einwirkungen hervorgerufen werden,
2. B. eine gerade oder gekrümmte Linie, welche aus verschiedenfarbigen
Punkten besteht, wird eben als Ganzes, also als Linie aufgefasst; doch
durchdringen sich die Elemente dieses Nebeneinander nicht, indes in
dem oben angeführten Beispiele eine Durchdringung stattfindet: wie es
in einem Akkorde der Fall ist, so werden auch hier beide Töne an
jedem beliebigen Orte des schwingenden Luftgebietes zu hören sein.
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