http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0461
Dankmar: Curiosa aus der Teufels-Periode des Mittelalters. 451
wohlgemerkt — nicht immer! Denn bei Fällen, welche
Staatsrath Aksakorv anführt, wo Kinder von zwei Monaten
, hxy Monaten, je neun Tagen, vollendet schreiben
— wo das Kind des Gouverneurs Tallmaye, das nie
eine Stunde Klavier-Unterricht gehabt hatte, plötzlich in
einer Seance Noten schreibt und Beethoven spielt —
bei dem Falle des Abbe R . . der, während er lebhaft
conversirt, mit beiden Händen in zwei verschiedenen
Sprachen über grundverschiedene Gegenstände schreibt,
muss einfach von jedem klar Denkenden „Inspiration, resp.
partielle Besessenheit" gesetzt werden, flu Prel
sagt: — „Es bestehen sogar Gründe für die Annahme,
dass die Seele nach jener Entleibung, die wir Tod nennen,
viel leichter Suggestionen wird ertheilen können, als ein
Hypnotiseur es vermag. . . . Was ein Hypnotiseur ohne
den Gebrauch der Körperlichkeit vermag, kann auch durch
6inen körperlosen Agenten geschehen." — Das ist ein
Axiom, an dem zu rütteln Frevel ist! — Gehen wir nun
über zu den Fällen eigentlicher Possession oder
Besessenheit. Schon bei den Babyloniern finden wir solche
Besessene (daifiovi^ofievog; Ulfilas in seiner Bibel übersetzt:
daimonareis; althochd.: firnoman; mittelhochd.: besezzen;
franz.: possede du diable, oder demoniaque) und von diesen
hat auch das Judenthum den Begriff übernommen und so
erweitert, dass man sagen kann: zu Christi Zeiten wurden
alle Formen des Wahnsinns für 'Daemonomanie' gehalten.
Selbstverständlich ist das ebenso unrichtig, als wenn man alle
Besessenheit blos für eine dramatische Spaltung des Ichs
halten wollte; es giebt Fälle, wo man wirklich vollständige
Besitzergreifung der seelischen Substanz der betreffenden
Persönlichkeit und dadurch erfolgende völlige psychische
und organische Umstimmung durch ein aussenstehendes,
geistiges Wesen, das höchst wahrscheinlich ein Entleibter
ist, annehmen muss.
Ich meine, dass man die Phänomene der Besessenheit
folgendermassen eintheilen kann:
I. Die einleitenden Phänomene, welche wir mit
Görres „Circumsession oder Umsessenheit" nennen
wollen, d. i. etwas Exoterisches (= Aeusseres), das in's Innere
des Menschen eindringen will, zur Zeit ihm aber noch als
Fremdes gegenübersteht. — „Es geht auf den Menschen
an und machl in mancherlei Wirkungen sich bemerklich,
und sucht mit allem ihn zu bemeistern, hat ihn aber noch
nicht wirklich bemeistert." — Es sind also Anfangsstadien
einer animistischen oder spiritistischen Besessenheit, die sich
demnach verschiedenartig äussern. Während fast Alles, was
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0461