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Bohn: Erwiderung in Sachen Gaj contra Bolm. 457
Werk interessant zu gestalten. Man muss Dr. G. gegenüber
offenbar mit Komplimenten vorsichtig sein, denn er wittert
selbst hinter dem Lob einen Tadel. Ganz 90 Unrecht hat
er nicht. Als ich nämlich an dem C.'schen Werke gar nichts
fand, was mich zu einem Lobe berechtigte, griff ich zu
jenem Komplimente, das man unschönen Damen zu machen
pflegt: „Nicht schön, aber interessant." Dabei handelte ich
optima nde, indem ich von der Meinung ausging, Dr. v. G.
habe vor allem das Interesse des Publikums fesseln wollen,
und habe aus diesem Grunde nicht den Dornenweg der
Wissenschaft beschritten. Denn einen anderen Entschuldigungsgrund
für den trostlosen Mangel an wissenschaftlichem
Geiste konnte ich nicht finden. Seitdem
Dr. v. C.'s Erwiderung erschienen ist, hat sich meine
Verlegenheit noch vermehrt. Denn S. 40G versichert mir
mein Herr Gegner ehren wörtlich, dass es ihm keineswegs
darum zu thun war, sein Werk möglichst interessant
zu gestalten, und einige Seiten darauf (407) erklärt er, dass
sein Werk speziell dem Versuche gewidmet ist, das
Interesse des Publikums zu erwecken. Mein älterer
Zunftkollege scheint also selbst nicht mehr zu wissen, was
er eigentlich gewollt hat.
II. Einen weiteren Stein des Anstosses und Aergernisses
bietet Dr. v. G. meine Behauptung, die ganze französische und
englische O r i g i n a 1 - Litteratur sei von ihm nicht berücksichtigt
worden. Ich muss der Wahrheit die Ehre geben,
— und meine Behauptung wiederholen; ja ich gehe noch
weiter: Es fehlt nicht nur die gesammte französische und
englische Original-Litteratur, sondern auch die in
Uebersetzung vorliegende französische Litteratur.
Und Dr. v. tf., der meine Kritik so verständnisslos durchgelesen
hat, dass er gar nicht bemerkt, wie ich von
Original-Litteratur spreche, wagt es zu behaupten, ich
hätte sein Werk nicht gelesen; er, der nach seinem Werke
zu urtheilen, die französische Litteratur überhaupt nicht
kennt, hat den Muth, über sie ein Urtheil zu fällen! (S. 401).
Es ist freilich darnach.
III. Dr. v. G. bestreitet des weiteren, Riebet, Lombroso,
Crookes mit Cyriax} Lehsten, Marryat auf eine Stufe gestellt
zu haben, denn — er stellt die letzten drei über Richet
und Lombroso! (S. 402). Damit wild die Sache freilich noch
viel schlimmer. Ein Charlatan, ein gutmüthiger Ignorant
und eine phantasiebegabte Amerikanerin werden über
zwei der glänzendsten Gelehrten gestellt — und ich hatte
meinen Gegner bisher nur im Verdacht, sie ihnen gleich-
gestellt zu haben. Wenn das wirklich die Ansicht Dr. v. G.'b
Psychische Studien. August 1899. 3i
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