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510 Psychische Studien. XXVI. Jahrg. 9. Heft. (September 1899.)
formen nach seinem Bilde." Es ist charakteristisch, dass
Goethe zugleich mit „Faust" an einem „Prometheus" arbeitete.
Bei Goethe vollzieht sich nun jene Wandlung des Magiers
Faust zum Mystiker Faust; wie jener die Sinnen weit
durchbricht, um in das Innere der Natur zu schauen, so
durchbricht dieser die Selbstsucht des eigenen Herzens, um
i n sich selbst das göttliche Leben zu schauen und unmittelbar
zu erfassen, und das ist auch das grosse Mysterium (—Mokscha)
der Hingebung unseres Selbst an das allumfassende göttliche
Sein. Wir sehen Faust den Weg von der Adeptschaft
zur Theosophie zurücklegen, der sich im historischen Werdegang
unseres deutschen Volkes darstellt in den Gestalten
des Agrippa von Nettesheim, des Magus, und in Jacob Böhme,
des philosophus Teutonicus. Und so erfüllt sich denn bei
Goethe jenes Wort Lessing9 $: „Ihr sollt nicht siegen!" und
sein Faust endet mit der Apotheose der Himmelfahrt, und
Faustens Unsterbliches erschaut verklärten Auges, das enthüllte
Greheimniss der göttlichen Liebe, versinnbildet in der
„mater gloriosa", wie sie schon als höchstes Ideal der reinen
Seele eines St Bonaventura voi'geschwebt hat, während die
tief bedeutungsvollen Worte des chorus mysticus ertönen:*)
„Alles Vergängliche ist nur ein Gleichniss,
Das Unzulängliche, hier wird's Ereigniss,
Das Unbeschreibliche, hier ist's gethan,
Das ewig Weibliche zieht uns hinan!"
*) Betreffs meiner Anfrage im März-Hefte p. 145 an Dr. G. Gaj,
wegen des kroatischen Ausdrucks für Vampyr, war der genannte
Herr so liebenswürdig mir mitzutheiien, dass in der kroato-serbischen
Sprache 3 Ausdrücke für Vampyr existiren: vampyr, vukodlak und
upir (nicht upire). Letzterer ist der älteste und seltenste Ausdruck.
Der Glaube an Vampyre, dereinst in Kroatien, Slavonien und Serbien
sehr lebendig, schwindet mehr und mehr; wenigstens wagt er es
nicht sich zu äussern. Er erhält sich aber in gewissen Redensarten
und Volksmärchen. Danach muss man das Herz der Vampyre mit
einem Hagedorn durehstossen. Eine Art von Menschen, deren Seele
Nachts, bewusster Weise, den Körper verlässt und die „vjedogonia"
heissen, müssen nach dem Tode Vampyre werden. — Für diese und
einige andere interessante Mittheilungen sage ich Herrn Dr. G. Gaj
hiermit öffentlich meinen Dank. — Zugleich berichtige ich einen
Druckfehler, der sich (durch mein Verschulden) im Maihefte
mehrere Male wiederholt und für Kenner störend wirken muss. Es
muss daselbst stets statt Inanimatae — Inanimata heissen; gerade
dieses Neutrum, das Paracelsus anwendet, ist hochcharakteristiseb.
Der Verfasser,
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