http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0537
Aberglauben und Verbrechen
527
rein halten von jeglichem Unrecht; nachher andere sieben
gute Gelegenheiten unausgenützt vorübergehen lassen oder
die Beute vom achten Verbrechen von einem Kirchthurm
aus — nach anderen Lesarten vom Grabe der Mutter aus
— in alle vier Winde streuen oder — namentlich bei Einbrechern
geläufig — nach dem siebenten Verbrechen gleich
in einer Nacht zwei weitere begehen, noch besser freilich:
den achten Coup gemeinsam mit einer Jungfer im Verbrechergewerbe
begehen, d. h. mit einem Menschen, der
noch nie an einem Verbrechen theilgenommen hat u. s. w.
Die Zahl der Sympathiemittel, welche die Gaunerwelt in
diesem Falle anräth, ist Legion.
Auf einen merkwürdigen Umstand möchte ich hier
schliesslich noch hinweisen. Wer gewisse Nachtlokale kennt,
in denen Angehörige der Verbrecherzunft zu verkehren pflegen,
dem wird es wohl schon aufgefallen sein, dass dieselben um
drei Uhr Morgens beim Kartenspiel regelmässig eine kleine
Pause machen und während derselben ihr Geldtellerchen
stets mit einer möglichst hohen Trumpf karte zu bedecken
pflegen. Ich habe nie erfahren können, was der Brauch
überhaupt bedeutet, doch hängt er aller Wahrscheinlichkeit
nach damit zusammen, dass in der Gaunerwelt im Gegensatz
zu anderen Leuten, welche die Geisterstunde bekanntlich
in die Zeit von 12—1 Uhr verlegen, dieselbe auf 3 Uhr
Morgens fällt, um welche Zeit übrigens auch gewisse „Damen"
in den Nacht-Cafes regelmässig ihren Stuhl zu wechseln
pflegen. Welche Bedeutung der ganze Brauch hat, scheinen
sie selbst nicht mehr zu wissen, wenigstens habe ich es
noch niemals in Erfahrung bringen können. (Nach der
vom „Kaiser Wilhelm Dank, Verein der Soldatenfreunde"
in Berlin herausgegebenen „Feldpost", Beilage zu Nr. 65).
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1899/0537